Remove ads
Störung der Magnetosphäre eines Planeten Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Als magnetischen Sturm bezeichnet man eine Störung der Magnetosphäre eines Planeten beziehungsweise speziell der Erde (geomagnetischer Sturm oder Sonnensturm[1]).
Ein geomagnetischer Sturm wird definiert durch die von ihm verursachten Änderungen des Erdmagnetfeldes. Zur Klassifizierung wird unter anderem der Disturbance storm time Index (Dst-Index) herangezogen, der die global gemittelte Abschwächung des horizontalen Erdmagnetfelds anhand von Messungen einiger weltweit verteilter Messstationen angibt. Dieser Wert wird stündlich ermittelt und steht nahezu in Echtzeit zur Verfügung.[2] Es gibt viele Einflüsse auf das Magnetfeld, daher sind Schwankungen der magnetischen Flussdichte um ±20 nT normal. Zum Vergleich: In Mitteleuropa beträgt die horizontale Komponente des normalen Erdmagnetfelds etwa 20 µT.
Die Störung wird ausgelöst von Schockwellenfronten des Sonnenwinds, die durch Sonneneruptionen oder koronale Massenauswürfe (KMA) entstehen und etwa 24 bis 36 Stunden benötigen, um die Erde zu erreichen. Sie dauert etwa 24 bis 48 Stunden an, in Einzelfällen mehrere Tage – in Abhängigkeit von der Störungsursache auf der Sonne. Das Auftreffen der Schockfront, bestehend aus elektrisch geladenen Teilchen, auf die Magnetosphäre führt zu einer Abschwächung des Erdmagnetfelds, das nach etwa zwölf Stunden sein Minimum erreicht.
Ein geomagnetischer Sturm wird typischerweise in drei Phasen unterteilt:
Die Anfangsphase zeichnet sich durch eine Schwächung des Magnetfelds um etwa 20–50 nT innerhalb einiger Dutzend Minuten aus. Nicht jedem Sturmereignis geht eine solche Anfangsphase voraus, und umgekehrt folgt auch nicht jeder derartigen Störung des Magnetfelds ein Magnetsturm.
Die Sturmphase beginnt, wenn die Störung größer als 50 nT wird, wobei es sich um eine willkürlich gezogene Grenze handelt. Im Laufe eines typischen Magnetsturms wächst die Störung weiter an. Die Stärke eines Erdmagnetsturms wird als moderat bezeichnet, wenn die maximale Störung weniger als 100 nT beträgt, als intensiv, wenn die Störung 250 nT nicht überschreitet und ansonsten als Supersturm. Nur selten wird eine maximale Abschwächung von etwa 650 nT überschritten, was etwa drei Prozent des Normalwerts entspricht. Die Phase dauert einige wenige Stunden und endet, sobald die Stärke der Störung sinkt, also das Erdmagnetfeld wieder beginnt, zu seiner typischen Stärke anzuwachsen.
Die Erholungsphase endet mit dem Erreichen des Normalwerts und kann zwischen acht Stunden und einer Woche dauern.
Geomagnetische Stürme können vielfältige Auswirkungen haben, wobei die bekanntesten das Auftreten von Polarlichtern (Aurora borealis oder Aurora australis) in gemäßigten Zonen wie zum Beispiel Mitteleuropa sind. In elektrischen Stromnetzen können die ausgelösten geomagnetisch induzierten Ströme zu unmittelbaren Schäden an Leistungstransformatoren führen.
Zunächst beeinflussen Magnetstürme das Erdmagnetfeld und dieses wiederum die Ausbildung des Van-Allen-Gürtels. Damit sind bei besonders starken Magnetstürmen alle Lebewesen – besonders in den Polregionen – einer erhöhten kosmischen Strahlung ausgesetzt, weil dort das Erdmagnetfeld generell weniger schützt. Da das Wachstum von Bäumen in erhöhter Sonnenaktivität anscheinend schneller verläuft, weisen sie eine elfjährige Periode in ihren Jahresringen auf. Die Gründe hierfür sind noch nicht geklärt.[3]
Unter anderem durch vorübergehende Änderungen in der Ionosphäre können zeitweilig Funkübertragungen (zum Beispiel Rundfunk oder Mobilfunk) gestört werden. In langgestreckten elektrischen Leitern wie zum Beispiel Überlandleitungen können Ausgleichsströme von teils beachtlicher Stärke fließen, die zum Ausfall der angekoppelten Transformatorstationen führen können.[4] Pipelines sind während magnetischer Stürme einer erhöhten Korrosion ausgesetzt.
Bevor die Schockwellenfront auf die Erde trifft, kann sie schon Schäden an Satelliten verursachen. Das ist neben den direkten Schäden durch Strominduktion wie auf der Erdoberfläche auch noch auf eine andere, indirektere Weise möglich: Die Schockwelle kann zu einer lokalen Aufheizung und damit zu einer Verformung der oberen Erdatmosphäre führen, was zu einem erhöhten Luftwiderstand für Satelliten in niedrigen Orbits (Low Earth Orbit, LEO) führen kann. Bahnänderungen oder erhöhter Treibstoffverbrauch wären dann die Folge. Insgesamt, so schätzte die europäische Weltraumorganisation ESA, entstand in den letzten Jahren allein wegen Ausfällen von Satelliten ein Schaden von mehr als 500 Millionen Dollar. Dieses und die Verzerrungen der Laufzeiten, die beim Durchgang der Signale durch Ionenwolken entstehen, macht GPS-Satelliten besonders anfällig.[5]
Die Auswirkungen eines geomagnetischen Sturms wie des Carrington-Ereignisses im Jahre 1859 wären heute verheerend, denn heute ist die Welt weitaus mehr von einer funktionierenden Telekommunikation und Stromversorgung abhängig als zur damaligen Zeit. 2014 schlugen Forscher ein aus 16 Satelliten bestehendes Weltraumwetter-Frühwarnsystem vor.[6][7] Das US-amerikanische Militär stuft die Auswirkungen eines schweren Magnetsturmes als sehr schwerwiegend ein, speziell bei moderner Kriegsführung, die zu einem großen Teil auf der Verfügbarkeit von Funkverbindungen, Satelliten und GPS beruht.[8] Die britische Royal Academy of Engineering sieht zwar auch deutliche Gefahren, ist aber zurückhaltender.[9] Solare Superstürme würden weltweite monatelange Internetausfälle verursachen. Eine IT-Forscherin beschreibt die Robustheit der derzeitigen Internet-Infrastruktur und mögliche Ausnahmen und Maßnahmen wie Meshnetze, verbundene Peer-to-Peer Anwendungen und neue Protokolle.[10][11]
Diverse Befunde, beispielsweise ein erhöhter 14C-Gehalt in anhand der Jahresringe exakt datierbaren Holzteilen, weisen auf Ereignisse beispielsweise in den Jahren 660 v. Chr., 774/775 n. Chr. und 993/994 hin, die überwiegend als magnetische Stürme gedeutet werden[12][13][14][15] (für das Ereignis von 774/775 wird aber auch ein Gammastrahlenausbruch eines etwa 3000 Lichtjahre entfernten Himmelskörpers als Ursache erwogen[16]). Diese Ereignisse könnten das Carrington-Ereignis von 1859 (s. u.) in seiner Intensität an der Erdoberfläche um ein Mehrfaches übertroffen haben.
Der aktuelle Zyklus begann Ende 2019, wird voraussichtlich 2025 den Höhepunkt erreichen und 2031 enden:[29]
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.