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Technik zum Erlernen von Wissen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ein Gedächtnispalast (auch Gedankenpalast oder Memory Palace) ist eine Mnemotechnik. Mit ihr kann deklaratives Wissen erlernt werden.[1]
Der Gedächtnispalast macht sich die Tradition des Erzählens von menschlichen Kulturen für Lernvorgänge zu Nutze. Er basiert somit auf dem Storytelling. Anwender sollten mit der Loci-/Routenmethode vertraut sein. Ein Gedächtnispalast baut darauf auf und zieht weitere Methoden hinzu.[2]
Ihren Ursprung nimmt die Gedächtnispalast-Technik in einer strukturellen Entwicklung aus der Loci-Routen-Methode der antiken römischen und griechischen Rhetorik-Schulen (in der anonym verfassten Rhetorica ad Herennium, Ciceros De oratore, und Quintilians Institutio oratoria) heraus. Ziel ist es, Schlüsselbegriffe einer Rede mit bestimmten Orten zu verbinden (Loci-Methode) und diese Orte in einer einzigen – während der Rede entsprechend der Argumentationsstruktur mental abzugehenden – Route zu merken (Routen-Methode).
Eine erste inhaltliche Auseinandersetzung mit der Gedächtnispalast-Technik findet sich in den Berichten des Jesuiten-Paters Matteo Ricci aus dem Jahr 1596. Er lehrte Chinesen für die Beamtenprüfung im damaligen Kaiserreich, wie man einen Gedächtnispalast baut. Nach eigener Darstellung hatte er zuvor fünfzigtausend chinesische Schriftzeichen in Vorbereitung auf seine missionarische Arbeit im Land gelernt.[3]
Erste wissenschaftliche Beschreibungen erfolgten in The Art of Memory von Yates (1966) und von Luria in Ein kleines Porträt eines großen Gedächtnisses (1968). In deutscher Sprache erschien zuletzt das populärwissenschaftliche Werk Der Gedächtnis-Palast. Mehr Verstehen, mehr Behalten, mehr Erinnern von Rütten (2011).
Die Verbreitung einzelner Methoden, die in der Gedächtnispalast-Technik miteinander kombiniert sind, ist unter Lernern hoch. Beispielsweise wird von jedem Top-Gedächtnisnutzer die eine oder andere Variation der Loci-Routen-Methode verwendet. Solche Methoden werden jedoch eher autodidaktisch mit Hilfe von Sachliteratur oder den weiterbildenden Besuch von Seminaren erworben und sind selten Bestandteil der Primär- und Sekundärbildung. In der Sachliteratur wird die Gedächtnispalast-Technik oft nur knapp ausgeführt. Dies lässt sich einerseits auf die höhere Komplexität – infolge der Kombination von vielen Methoden zu einer Technik – zurückführen. Andererseits ist die Knappheit durch die geringe Alltagstauglichkeit der Technik bedingt. Anzumerken ist:
Die Gedächtnispalast-Technik selbst ist wegen ebendieser Komplexität und des hohen Aufwandes bei der mentalen Visualisierung nicht weit verbreitet. In Kursen zum „Lernen lernen“ wird die Technik als metakognitive Technik vermittelt. Sie wird angewendet, um die Kernideen eines Themas zu kodieren. Zwei Ansätze sind:
Die Gedächtnispalast-Methode dient der Abspeicherung deklarativen Wissens und dessen Abruf aus dem Gedächtnis. Sie kann angewendet werden, um sich Ziffernfolgen (z. B. die Nachkommastellen der Zahl Pi), Textstücke, historische Daten, Vokabeln etc. zu merken. Dazu vereint der Gedächtnispalast unterschiedliche Mnemotechniken, von denen die Loci-Routen-Methode die wesentlichste ist. Es kann jedes Merkprinzip und jede Gedächtnismethode für den Bau am Gedächtnis-Palast eingesetzt werden.[5]
Es kann – genauso wie auch bei der einfacheren Loci-Methode – alles abgespeichert werden, was mnemotechnisch formatierbar ist, das heißt, alles, was in Bilder umgewandelt werden kann. Wenn jemand für den abstrakten Begriff „Freiheit“ die Freiheitsstatue visualisiert, wäre das beispielsweise eine gute Transformation. Bei sehr abstrakten Dingen, wie Zahlen oder Karten, erzeugt man diese Assoziationen mittels eines Gedächtnissystems, das auf einem alphanumerischen System aufbaut, oder über eine willkürliche Zuordnung. Bei einem solchen wird bei den Dezimalzahlen beispielsweise erst jeder Ziffer ein Buchstabe zugeordnet und anschließend aus mehreren Ziffern ein gut visualisierbares Bild erzeugt. Das verbreitetste System dieser Art ist das Major-System. Rütten macht auf die hinter dem Aufbau dieser Technik steckende Idee aufmerksam:
Konkret heißt das: Der Palast ist Bild für das bewusst gelernte Faktenwissen. Es gibt verschiedene Räume, die bereits das Wissensthema ausdrücken: „Räume, Hallen, Flure, Zimmer und Kammern – in einem Gedächtnis-Palast sind diese unterschiedlichen Orte die Plätze, an denen die Informationen als Wissen abgelegt werden“.[7] In dem Palast gibt es verschiedene Plätze oder Loci, auf denen das Wissen abgelegt wird. Das können beispielsweise ein Teppich, eine Vase oder eine Kommode sein. Dabei ist es sehr wichtig, lebhafte und möglichst emotionale Bilder zu erzeugen. Diese sollen jedoch nicht bizarr sein. Oft werden in Form des Palastes auch bereits Informationen ausgedrückt. So kann ein Raum, in dem Zitate von Feuerbach gespeichert werden, mit einem Bach aus Feuer durchzogen werden. Dieser Bach dient dann sowohl als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Räumen im Palast als auch als Identifikation mit der Information. Durch den Bach merkt sich der Lerner, dass die Zitate dort von Feuerbach sind. Es gibt, was die Größe des Palastes – und damit des gespeicherten Wissens – angeht, praktisch keine Grenzen. Außerdem kann der Palast stetig erweitert werden:
Zur sinnvollen Handhabung muss das abgelegte Wissen jedoch ständig wiederholt werden; um im Bild zu bleiben, der Palast also regelmäßig begangen werden.[9] Der Palast sollte logisch und übersichtlich aufgebaut sein. Manche Experten empfehlen, die einzelnen Etagen in unterschiedlichen Farben zu gestalten, um zusätzlich zu dem bloßen räumlichen Gefühl mit der Farbe eine zusätzliche Gedächtniskomponente einzubringen, die den Palast übersichtlicher und vielfältiger gestaltet. Außerdem grenzen sich die einzelnen Etagen dadurch besser voneinander ab.
Rütten beschreibt den Bauvorgang so:[10]
Besonders sinnvoll ist das Anlegen neuer Räume bei großer Stofffülle. Sie ermöglichen das gezielte Auffinden über eine (gebäudenetzförmige) Struktur und das Vermeiden von leeren Kammern.
Als Hilfsmittel bieten sich höchstens einfache Papierskizzen an. Sie sind aber nicht notwendig. Viele meinen sogar, dass diese lediglich Fantasie und Kreativität einschränken würden, Prozesse, die allerdings vor der papiernen Fixierung stattfinden. Andererseits entsteht so eine Gedächtnisstütze auf dem Papier. Diese Grundrisszeichnung ist das Lernmaterial und die Wissensquelle. Die Zeichnung unterstützt die räumliche Vorstellungskraft.[11]
Der Gedächtnis-Palast macht sich durch das mentale Repräsentieren eines situierten Ganges durch einen Raum und das Entdecken von Assoziationsgegenständen die narrative Tradition des Erzählens menschlicher Kulturen für Lernvorgänge zu Nutze und basiert somit dem Ansatz nach auf dem Storytelling. Ähnliches erfolgt in der Mnemonik auch beim PVO-System. Wichtig dabei ist, dass das Merken situiert erfolgt: Ein Lerner nutzt zugleich seine Vorstellungskraft für möglichst realistische Loci (Imagination), verknüpft die Informationen mit festen Plätzen zu passenden Loci (Assoziation) und bildet aus den Loci (Orten) eine zusammenhängende Route (Lokation).[12]
Der achtmalige Gedächtnisweltmeister Dominic O’Brien empfiehlt, Vokabeln mithilfe der Schlüsselwort-Methode in Sprachorten, language towns, zu speichern. Die Wörter werden dabei nach Sprachgeschlecht in einem der Ortsteile abgespeichert.
Während eines mentalen Spaziergangs wird eine Faktenliste durch Assoziation mit spezifischen landschaftlichen Merkmalen einer vertrauten, real existierenden Route erlernt. Ein Beispiel dafür besteht im Auswendiglernen einer Einkaufsliste durch einen mentalen Spaziergang durch ihre Route. Eine alltagsnahe Route ermöglicht es, ohne viel Aufwand Informationen zu lernen, deren Gültigkeit zeitlich beschränkt ist. Trotzdem ist anzumerken, dass die mehrfache Belegung derselben Route zu Interferenzen führen kann.
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