Jablonec nad Nisou
Stadt in der Region Liberec in Nordböhmen, Tschechien Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Jablonec nad Nisou (deutsch Gablonz an der Neiße) ist eine tschechische Stadt mit 45.830 Einwohnern (1. Januar 2023) im Bezirk Gablonz in der nordböhmischen Region Reichenberg. Ihr Name leitet sich aus dem tschechischen Wort jabloň (Apfelbaum) und der Neiße (tschechisch: Lužická Nisa) her.
Jablonec nad Nisou | ||||
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Basisdaten | ||||
Staat: | Tschechien | |||
Historischer Landesteil: | Böhmen | |||
Region: | Liberecký kraj | |||
Bezirk: | Jablonec nad Nisou | |||
Fläche: | 3138,2278[1] ha | |||
Geographische Lage: | 50° 44′ N, 15° 10′ O | |||
Höhe: | 475 m n.m. | |||
Einwohner: | 45.830 (1. Jan. 2023)[2] | |||
Postleitzahl: | 466 01 | |||
Kfz-Kennzeichen: | L | |||
Verkehr | ||||
Bahnanschluss: | Liberec–Tanvald | |||
Struktur | ||||
Status: | Statutarstadt | |||
Ortsteile: | 8 | |||
Verwaltung | ||||
Oberbürgermeister: | Jiří Čeřovský (ODS) (Stand: 2019) | |||
Adresse: | Mírové náměstí 3100/19 467 51 Jablonec nad Nisou | |||
Gemeindenummer: | 563510 | |||
Website: | www.mestojablonec.cz |
Die Stadt liegt im historischen nördlichen Böhmen im Tal der Lausitzer Neiße, in die im Stadtzentrum der Mšenský potok (Grünwalder Wasser) und am westlichen Stadtrand die Weiße Neiße einmünden. Das Katastralgebiet der Stadt beträgt 3139 ha.
Die Stadt Jablonec nad Nisou besteht aus den Ortsteilen[3] und Katastralbezirken[4] Jablonec nad Nisou (Gablonz an der Neiße), Jablonecké Paseky (Bad Schlag), Kokonín (Kukan), Lukášov (Luxdorf), Mšeno nad Nisou (Grünwald an der Neiße), Proseč nad Nisou (Proschwitz an der Neiße), Rýnovice (Reinowitz) und Vrkoslavice (Seidenschwanz). Grundsiedlungseinheiten sind Dobrá Voda (Gutbrunn), Dolina, Dolina-jih, Dolní Kokonín (Unterkukan), Horní Kokonín (Oberkukan), Horní Proseč (Oberproschwitz), Jablonec nad Nisou-střed, Jablonecká přehrada, Jablonecké Paseky, K Černé Studnici (nach Schwarzbrunn), K Jindřichovu-jih, K Jindřichovu-sever, Lukášov, Máchův park, Mánesova-Podzimní, Mšeno nad Nisou-Podlesí, Mšeno nad Nisou-U Jelena, Mšeno nad Nisou-U kapličky, Mšeno nad Nisou-U Navety, Mšeno nad Nisou-U Perly, Na hutích, Na roli, Na Smetance, Na Střelnici, Na Východě, Nad poštou, Nad střelnicí, Novoveská, Pražská (Pragergasse), Proseč nad Nisou, Proseč nad Nisou-Domovina, Prosečský hřeben (Proschwitzkammhäuser), Rýnovice-Janovská, Rýnovice-Nová Osada, Rýnovice-průmyslový obvod, Rýnovice-Stará Osada, Sadová-Pasířská (Parkgasse-Guertlergasse), Srnčí důl, Střední Kokonín (Mittelkukan), Šumava, U Jabloneckých Pasek, U nemocnice, U Nisy (bei Neisse), U pily, U učiliště, V Břízkách, Větrný vrch, Vrkoslavice (Seidenschwanz), Vrkoslavice-Petřín (Nickelkoppenhäuser), Vysoká (Hochgasse), Za hrází, Zelené údolí und Žižkův vrch (Porschberg).[5]
Die erste schriftliche Erwähnung erfolgte im Jahr 1356. Nach der Zerstörung durch Gegner des böhmischen Königs Georg von Podiebrad im August 1469 verschwand die Siedlung völlig.
Dauerhaft bewohnt war Gablonz erst wieder seit dem 16. Jahrhundert, als die erste Glashütte in Grünwald (Mšeno) entstand. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Gablonz am 2. Mai 1643 erneut niedergebrannt; nach Kriegsende wurden die protestantischen Einwohner zwangsweise ausgewiesen. 1808 wurde Gablonz zum Marktflecken und im Jahr 1866 durch ein Dekret des Königs Franz Josef I. zur Stadt erhoben. Im Jahr 1868 wurde Gablonz zum Sitz des Bezirkshauptmanns. Der neue politische Bezirk Gablonz bestand aus den Gerichtsbezirken Tannwald und Gablonz. Ab 1880 gab es die Deutsche Staatsfachschule für Kunstgewerbe in Gablonz.
Am 28. Oktober 1918 wurde die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei ausgerufen. Gablonz wurde am frühen Morgen des 11. Dezember von tschechischen Einheiten aus Mladá Boleslav besetzt. Die deutsche Volkswehr leistete keinen Widerstand. Bei der Volkszählung 1930 gaben 79,5 % der Gablonzer an deutscher und 16,5 % tschechischer Nationalität zu sein.
Nach dem Münchner Abkommen vom 29. September 1938 wurde die Stadt wie das gesamte Sudetenland an das Deutsche Reich angegliedert. Bis 1945 war die Stadt Sitz des Landkreises Gablonz an der Neiße, Regierungsbezirk Aussig, im Reichsgau Sudetenland. Die meisten Juden der Stadt waren bereits im Sommer 1938 geflohen, die Verbliebenen wurden verfolgt und ab 1941/42 deportiert und ermordet. Der Gablonzer Rabbiner Georg Vida floh nach Turnau, wobei es ihm gelang, die Gablonzer Tora zu retten. Die örtliche Synagoge wurde bei den Novemberpogromen 1938 niedergebrannt
Viele tschechischsprachige Gablonzer flohen.
In Gablonz existierte von Januar bis Mai 1945 ein Außenlager des KZ Groß-Rosen, in dem Frauen-Häftlinge für die Flugzeugfabrik Mitteldeutsche Motorenwerke Zwangsarbeit leisten mussten. Bereits seit November 1944 befand sich hier auch ein Männerlager.[6][7]
Vertreibung der Deutschen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die meisten deutschböhmischen Bewohner auf Grund der Beneš-Dekrete vertrieben. Nach 1945 gründeten die Heimatvertriebenen dann Gemeinden mit dem Namen Neugablonz sowohl in Kaufbeuren in Bayern als auch Neugablonz in Enns in Oberösterreich und die Gablonzersiedlung in Kremsmünster, Oberösterreich, um dort die berühmte Glasindustrie (Gablonzer Bijouterie) fortzuführen. Andere, wie die Glashersteller Willi Beranek, Ottokar Menzel und Rudolf Posselt aus Kukan, ließen sich in den Glaszentren Karlsruhe und Schwäbisch Gmünd nieder. Auch im Landkreis Gotha in Thüringen haben sich etwa 14.000 Exilanten, davon viele aus der Region Gablonz, niedergelassen. Besonders um die Städte Friedrichroda und Ohrdruf entstanden so neben dort genossenschaftlich organisierten Kleinbetrieben der Täschner und Schmuckgürtler Werkstätten der Knopfmacher, Glasgestalter und Bijouteriewarenhersteller.[8]
Nach 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich viele Neubürger aus Mittelböhmen, der Slowakei, Repatrianten und Roma, in Jablonec an. Jablonec ist die zweitgrößte Stadt der Region Liberec, die größte Stadt und Sitz des Bezirks Jablonec nad Nisou und ein Industriestandort. Sie bildet das Verwaltungs-, Kultur- und Sportzentrum des Isergebirges (Jizerské Hory).
Bis 1945 war Gablonz überwiegend von Deutschböhmen besiedelt, die vertrieben wurden.
Bevölkerungsentwicklung bis 1945
Jahr | Einwohner | Anmerkungen |
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1802 | 1.976 | in 411 Häusern[9] |
1827 | 3.126 | in 512 Häusern[10] |
1830 | 3.209 | in 523 Häusern[11][12] |
1837 | 3.548 | [13] |
1846 | 3.826 | [13] |
1857 | 4.553 | [14] |
1859 | 5.297 | in 561 Häusern, darunter 1.100 Fremde[14] |
1869 | 6.752 | davon 3.874 Einheimische und 2.878 Fremde[15] |
1900 | 21.091 | deutsche Einwohner[16] |
1930 | 33.958 | davon 5.602 Tschechen[17] |
1939 | 28.771 | davon 3.503 Evangelische, 22.071 Katholiken, 1.801 sonstige Christen und 53 Juden[17] |
Bevölkerungsentwicklung nach Ende des Zweiten Weltkriegs[18]
(Stand: 31.12. des jeweiligen Jahres)
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Im Stadtviertel Rýnovice gibt es ein Haus der tschechisch-deutschen Verständigung (Rieger-Haus). Eine Reihe bedeutender Bauten und Stadtviertel beweisen den früheren Reichtum der Stadt. Zu den interessantesten gehören Jugendstilbauten und private Villen an der jetzigen Podhorská ulice (Gebirgsstraße) und der 28. října (Josef-Pfeifer-Straße). Prächtige Bauten des Funktionalismus der 1930er Jahre sind die Villa Schmelowsky, die Villa Hásek (Architekt Heinrich Lauterbach), die Villa Kantor (Adolf-Loos-Schüler Architekt Heinrich Kulka), das Rathaus (Architekt Karl Winter) und die katholische Kirche am Gewerbeplatz (Architekt Josef Zasche).
Zunächst waren als Industriebetriebe im Ort Glashütten angesiedelt. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich die Glasindustrie sehr schnell. Weiterer Aufstieg kam für die Stadt in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der Bijouterie-Manufakturen.
Heute ist neben diesem Industriezweig Jablonec ein Ausgangspunkt für touristische Aktivitäten im Isergebirge und Riesengebirge. Die Lage an der deutschen und polnischen Grenze begünstigt Handelsaktivitäten mit diesen Ländern.
In der Bijouterie- und Glasherstellung sollen in Jablonec und Umgebung auch heute noch 11.000 Menschen beschäftigt sein, wobei die Produktion zu großen Teilen exportorientiert ist. Die wichtigsten Firmen der Glasherstellung – Ecoglass, Preciosa, Ornela, Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus), Glass Tomeš – haben sich zum Verband Bijou Terra zusammengeschlossen, der die Exportgesellschaft Jablonex betreibt.
Das Münzhaus Bižuterie Česká mincovna (Bijouterie Tschechisches Münzhaus) produziert tschechische Kronen für das ganze Land. Es wurde nach dem Zerfall der Tschechoslowakei gegründet, weil das tschechoslowakische Münzhaus im slowakischen Kremnica lag.
Außer der Bijouterie- und Glasherstellung sind auch Maschinenbau, Möbelproduktion und holzverarbeitende Industrie vertreten.
Die Firma Soliter produziert Metallschmuck.
Die 1991 gegründete Gesellschaft Jablotron produziert Alarmanlagen, Gartentechnik, Mobiltelefone etc. Sie hat großes Aufsehen mit ihrem „größten Handy der Welt“ erregt. Das Gerät „JABLOTRON GDP 02 Grand“ war ursprünglich für ältere Menschen gedacht, großes Interesse zeigten aber auch Bewohner von Regionen mit schlechter Festnetzversorgung. 2010 beschäftigte Jablotron 450 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Umsatz von 1,36 Mrd. Kronen (ca. 57 Mio. €).[21]
Die Firma LucasVarity produziert Autobremsen in Jablonec und Umgebung unter dem Namen TRW Automotive Aftermarket CZ LUCAS Autobrzdy; sie nutzt hierbei Anlagen der früheren Autobrzdy, später Ateso. Einer der wichtigsten Automobilzulieferer ist A. Raymond Jablonec sro, ein Tochterunternehmen der weltweit operierenden A Raymond.
Die Stadt liegt an der Bahnstrecke Liberec–Tanvald, die am 25. November 1888 von Liberec her bis Jablonec nad Nisou eröffnet wurde. 1894 wurde sie über Lučany nad Nisou bis Tanvald verlängert.
Von 1900 bis 1965 besaß Jablonec ein eigenes Straßenbahnnetz, von dem nur die meterspurige Überlandstraßenbahn von Liberec überlebte. Im Juli 2021 wurde deren Verkehr vorübergehend eingestellt; in Anpassung an die Straßenbahn Liberec werden ihre Gleise aktuell auf Regelspur umgebaut.
Jablonec liegt an den Staatsstraßen Silnice I/14 (Straße erster Klasse 14) und Silnice I/65. Eine Anschlussstelle der vierstreifig ausgebauten Silnice I/35 in Verlängerung der Autobahn Dálnice 10 von Prag befindet sich etwa 7 km entfernt.
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