Loading AI tools
aus öffentlichen Mitteln gewährte Leistungen an Unternehmen, die in den Wettbewerb eingreifen und der EU zu notifizieren sind Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Beihilfe ist ein unionsrechtlicher Begriff, der sämtliche staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten direkten oder indirekten Vorteile jeder Art umschreibt, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige (Branchen) den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und hierdurch den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen (können). Darunter werden insbesondere öffentliche Gelder und Gewährleistungen für nichtöffentliche Unternehmen subsumiert, die hierfür keine oder keine adäquate Gegenleistung erbringen. Der Beihilfebegriff ist als unbestimmter Rechtsbegriff sehr allgemein gefasst („Beihilfen gleich welcher Art“), weil möglichst viele beihilferelevante Sachverhalte erfasst werden sollen.
Im Jahr 2012 vergaben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union insgesamt (jedoch ohne Hilfen für den Eisenbahn- und den Finanzsektor, sog. „Krisenbeihilfen“) 67 Mrd. Euro an Beihilfen; davon entfielen auf Deutschland annähernd 12 Mrd. Euro an Subventionen und Zuwendungen.[1] Dies entspricht einem Anteil von 0,521 % (EU-27) bzw. 0,449 % (Deutschland) des BIP.[2] Solche Subventionen können in unerwünschter Weise in das Marktgeschehen eingreifen, etwa wenn mehrere Staaten um ausländische Investitionen konkurrieren. So wurde beispielsweise in Frage gestellt, ob es ökonomisch sinnvoll und angemessen war, die Produktion des Films Inglourious Basterds durch den Deutschen Filmförderfonds (DFFF) mit 6,8 Millionen Euro Steuergeldern zu bezuschussen.[3]
Es ist deshalb herrschende Meinung unter Wirtschaftspolitikern, dass die EU wettbewerbsrechtliche Kompetenzen haben sollte (die sie auch hat). Die EU hat Gesetze und Verordnungen beschlossen, die bewirken sollen, dass der Wettbewerb privatrechtlich organisierter Unternehmen oder ganzer Wirtschaftszweige nicht durch staatliche Begünstigungen beeinträchtigt oder verzerrt wird. Innerhalb der EU-Kommission ist der EU-Kommissar für Wettbewerb für dieses Politikfeld zuständig.
Begünstigung umfasst nicht nur unentgeltliche staatliche Leistungen, sondern auch unzureichende oder marktüblich geringe Gegenleistung für erhaltene staatliche Leistungen. Eine Beihilfe liegt auch vor, wenn die Belastungen vermindert werden, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat.[4] Auch die selektive Begünstigung einzelner Unternehmen oder Branchen wird erfasst. Staatlich ist ebenfalls weit zu verstehen; darunter fallen auch Regionen, Bundesländer, Kommunen und Kommunalunternehmen.
Das Unionsrecht enthält ein generelles Beihilfeverbot und regelt konkret abschließend aufgezählte Ausnahmetatbestände, die nicht beihilferelevant sind.[5] Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass staatliche Beihilfen gewährt werden; dann behält sich die Wettbewerbskommission vor, diese vor Gewährung zu prüfen und zu genehmigen oder abzulehnen. Um diesen Vorbehalt umzusetzen, wurde eine Anzeigepflicht (Notifizierungspflicht) eingeführt. Wurde eine Beihilfe vor ihrer Gewährung nicht notifiziert (etwa weil sich die Beteiligten eines beihilferelevanten Vorgangs nicht bewusst waren), kann die Kommission auch von Amts wegen eingreifen. Wettbewerbsregeln zielen auf eine Gleichbehandlung privater und öffentlicher Unternehmen ab und versuchen, jeder Wettbewerbsverzerrung entgegenzuwirken, insbesondere wenn diese auf kartellrechtlichen oder beihilferelevanten Vorgängen basiert.
Sie bilden eine Ausnahmeregelung, die einen abschließend aufgezählten Katalog zulässiger und nicht anmeldepflichtiger Beihilfen umfasst.[6] Danach sind generell zulässig diskriminierungsfreie Beihilfen sozialer Art für Verbraucher (Art. 107 Abs. 2 lit. a) AEU-Vertrag), Schadensbeseitigung bei Naturkatastrophen oder sonstigen außergewöhnlichen Ereignissen (Art. 107 Abs. 2 lit. b) AEUV) und Beihilfen im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung (Art. 107 Abs. 2 lit. c) AEUV). In Art. 107 Abs. 3 sind Beihilfen aufgezählt, die mit dem Gemeinsamen Markt als vereinbar angesehen werden können („Regionalbeihilfen“, „Strukturfonds“ oder „Gemeinschaftsinitiativen“). Beispiele sind insbesondere die Regionalförderung, Ausbildungsförderung, Restrukturierungsbeihilfen, Finanzierung von Dienstleistungen im Allgemeinen Interesse (Daseinsvorsorge), Umweltschutzbeihilfen oder Beihilfen zur Bewältigung der Weltfinanz- und -wirtschaftskrise ab 2008. Die Kommission wacht darüber, dass die Mitgliedstaaten nur Beihilfen gewähren, die diesen Regeln entsprechen.
Der Katalog beinhaltet Beihilfen mit breiter Streuwirkung, was bei den anzeigepflichtigen Beihilfen gerade nicht der Fall ist. Hier werden meist gezielt einzelne Empfänger begünstigt.
Nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEU-Vertrag sind Beihilfen unter obigen Voraussetzungen vor ihrer Vergabe bei der Kommission anzumelden und von ihr genehmigen zu lassen. Neben Gebietskörperschaften unterliegen auch öffentliche Unternehmen diesen Notifizierungspflichten (Art. 106 AEU-Vertrag). Haben diese Rechtsformen jedoch hoheitliche Aufgaben übernommen oder ihre Tätigkeit fällt in den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge oder ein frei zugänglicher Markt für ihre Leistungen ist nicht vorhanden oder es wird eine marktübliche Gegenleistung erbracht, so muss nicht notifiziert werden. Notifiziert zu werden braucht auch dann nicht, wenn ein unterstütztes Vorhaben streng kommunalbezogen ist und keine deutlich grenzüberschreitende Nachfrage auslöst. Ausgenommen von der Notifizierungspflicht sind ferner so genannte „de-minimis-Beihilfen“ in Höhe von max. 200.000 € an denselben Begünstigten innerhalb von 36 Monaten, im Bereich der sogenannten Tätigkeiten von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse („DAWI“) in Höhe von max. 500.000 €.[7] Formal betrachtet, ist für Beihilfen unterhalb dieses Schwellenwerts der Beihilfetatbestand nicht erfüllt.[8]
Das Beihilferecht unterscheidet zwischen der formellen Rechtmäßigkeit, die die vorherige Anmeldung bei der EU-Kommission betrifft, und der materiellen Rechtmäßigkeit. Sie richtet sich danach, ob die Beihilfe „mit dem Binnenmarkt vereinbar“ ist. Eine notifizierungspflichtige Beihilfe, die nicht oder nicht rechtzeitig angezeigt wurde, gilt bereits aus formaler Sicht als rechtswidrig. Mit der Notifizierungspflicht ist ein generelles Durchführungsverbot verbunden, das bis zu einer Entscheidung der Kommission nach Art. 108 Abs. 3 AEU-Vertrag gilt. Solange mithin kein positiver Notifizierungsbescheid vorliegt, darf eine Beihilfe nicht gewährt werden (so genannte „Stand-still-Klausel“).
Beihilfen sind nach Art. 1 f) der EU-Beihilfeverfahrensordnung[9] rechtswidrig, wenn sie unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht des Art. 108 AEU-Vertrag gewährt werden. Dabei ist unerheblich, ob die Anmeldung vorsätzlich unterlassen wurde oder in gutem Glauben auf fehlende Beihilferelevanz unterblieb.[10] Wird gegen diese Notifizierungspflichten verstoßen, so ist zivilrechtlich die Beihilfe oder kommunale Gewährleistung nichtig,[11] also von Anfang an unwirksam. Nichtigkeitsgrund ist der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB), weil der BGH die Notifizierungspflicht als Verbotsgesetz klassifiziert.[12] In einem weiteren Verfahren[13] hatte der BGH klargestellt, dass § 134 BGB anerkanntermaßen auch dann Anwendung finde, wenn es zwar um die Verletzung eines nur an eine staatliche Vertragspartei (Bundesrepublik Deutschland) gerichteten gesetzlichen Verbots gehe, der Zweck des Gesetzes aber nicht anders zu erreichen sei als durch Annullierung der durch das Rechtsgeschäft getroffenen privatrechtlichen Regelung. Fehlt es an einer derartigen Genehmigung bei Kommunalbürgschaften, die Kredite an nicht-kommunale Kreditnehmer sichern, so sind diese Bürgschaften nichtig und die Kredite unbesichert. Den beteiligten Kreditinstituten wird regelmäßig zugemutet, sich von der Einhaltung der Notifizierungspflicht zu vergewissern.[14][15] Die Kreditinstitute müssen die in einer Nichtanzeige liegende formelle Gemeinschaftsrechtswidrigkeit erkennen.[15]
Beihilfen werden üblicherweise durch Verwaltungsakt gewährt, eine Rückforderung ist nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 VwVfG möglich. Hierin wird die Rücknahme (Aufhebung) eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes untersagt, der eine Geldleistung oder (teilbare) Sachleistung zur Grundlage hatte und dabei der Begünstigte auf den Fortbestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Unter diesen Voraussetzungen kann davon ausgegangen werden, dass eine Rückforderung unrechtmäßiger Beihilfen auch bei Verwaltungsakten, die die Gewährung einer rechtswidrigen Beihilfe zum Inhalt hatten, nicht generell ausgeschlossen werden kann. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof entschieden,[16] dass die zuständige Behörde gemeinschaftsrechtlich verpflichtet ist, einen Bewilligungsbescheid für eine rechtswidrig gewährte Beihilfe gemäß einer bestandskräftigen Entscheidung der Kommission, in der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und ihre Rückforderung verlangt wird, selbst dann noch zurückzunehmen, wenn sie die nach nationalem Recht im Interesse der Rechtssicherheit dafür bestehende Ausschlussfrist hat verstreichen lassen. Das BVerfG sieht zudem weder einen Verstoß gegen die Rechtssicherheit noch eine Verletzung des Vertrauensschutzes durch die Rücknahmeabwägung und die Nichtanwendung der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG beim Verwaltungsakt.[17] Da dem Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem einfachen deutschen Recht zukommt,[18] kann eine rechtswidrig gewährte Beihilfe auch verwaltungsrechtlich jederzeit zurückgefordert werden.
Ausnahmen sind vorgesehen für eine öffentliche Rettungsaktion zugunsten privater Rechtsformen, die sich in einer Unternehmenskrise befinden. Ein Unternehmen befindet sich europarechtlich in Schwierigkeiten, „wenn es nicht in der Lage ist, mit eigenen finanziellen Mitteln oder Fremdmitteln, die ihm von seinen Eigentümern/Anteilseignern oder Gläubigern zur Verfügung gestellt werden, Verluste aufzufangen, die das Unternehmen auf kurze oder mittlere Sicht zwingen werden, seine Tätigkeit einzustellen, wenn der Staat nicht eingreift.“[19][20] Die Rettungsbeihilfe und die hierzu ergangenen Leitlinien beruhen auf Art. 107 Abs. 3 AEU-Vertrag. Hiernach können diese Beihilfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar betrachtet werden, wenn sie einmalig gewährt werden.[21] Durch die Finanzkrise 2007 wurden staatliche Beihilfen auf das Marktversagen als „beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedsstaats“ (Art. 107 Abs. 3b AEU-Vertrag) ausgedehnt.[22]
Bei staatlichen Rettungsmaßnahmen wird vorausgesetzt, dass sich die begünstigten Unternehmen größenabhängig an der Sanierung beteiligen. Es wurden Mindestsätze für die Beteiligung an den Gesamtkosten der Umstrukturierung festgelegt: Mindestens 50 % bei großen Unternehmen, 40 % bei mittleren Unternehmen und 25 % bei kleinen Unternehmen.
Spektakulär war die – vorher beihilferechtlich nicht geprüfte – Rettungsbeihilfe der Bundesregierung im November 1999 an den Baukonzern Philipp Holzmann, die im Mai 2001 durch die EU genehmigt wurde, weil der Marktanteilsverlust von Holzmann die Wettbewerbsvorteile ausgleichen würde und die Beihilfenhöhe im Vergleich zu den Gesamtrettungsmaßnahmen gering sei. Die Rettungsbeihilfe als Teil der Sanierungsmaßnahmen half nichts, denn der Baukonzern ging im März 2002 in die Insolvenz (siehe über die Wirkung von Sanierungsbemühungen auch Schuldenerlass).
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.