Remove ads
Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Dehio-Handbuch (auch „Der Dehio“) ist ein anlässlich des Tags der Denkmalpflege von 1900 von dem deutschen Kunsthistoriker Georg Dehio geschaffenes Verzeichnis (Kunstführer) der kunsthistorisch bedeutendsten Kunstdenkmäler und ihrer Ausstattung im deutschsprachigen Raum. Dabei orientiert sich die Auswahl bei den deutschen Bänden (anders in Österreich, wo der „Dehio“ als Denkmälerinventar bezeichnet wird) qualitativ am oberen Drittel des Kanons aller Baudenkmäler.[1] Die Ausgabe der ersten, fünfbändigen Ausgabe begann 1905. Die nicht baugebundenen Werke der Bildenden Kunst werden insoweit mit erfasst, als sie sich nicht in Museen und Galerien befinden. Die Baudenkmäler werden in territorial abgegrenzten Einzelbänden und dort bei den darin alphabetisch geordneten Belegenheitsorten abgehandelt. Eine in späteren Ausgaben abweichende, stark regionale Untergliederung der Einzelbände wurde aktuell zugunsten der ursprünglichen, alphabetischen Reihung wieder aufgegeben. Seit den 1980er Jahren werden auch zeitgenössische Bauwerke aufgenommen. Das Dehio-Handbuch soll sowohl Nachschlagewerk sein als auch handlicher Begleiter bei Ausflügen und Reisen, so die bis heute gültige Programmatik des Handbuchs.
Hinter dem Sammelbegriff „Der Dehio“ verbergen sich die Reihen Georg Dehio – Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler (seit 1905, erster Bearbeiter: Georg Dehio), Dehio-Handbuch – Die Kunstdenkmäler Österreichs (seit 1933/1953) und Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler Polens (seit 1993).
Der deutsche Kunsthistoriker Georg Dehio hatte 1899 die Idee zu einem Handbuch der deutschen Denkmäler. Im Jahr 1900 verfasste er dann ein „Programm zu einem Handbuche der deutschen Denkmäler“ und stellte es dem im selben Jahr in Dresden tagenden ersten deutschen Tag für Denkmalpflege vor. Nach dessen positivem Votum wurde Dehio durch eine Kommission, die aus Cornelius Gurlitt, Hugo Loersch und Adolf von Oechelhaeuser bestand, mit der Erstellung eines Handbuchs der deutschen Kunstdenkmäler beauftragt.[2] Zumindest die Herausgabe des Bands I, Mitteldeutschland, wurde mit Mitteln des kaiserlichen Dispositionsfonds’ gefördert.[2]
Dehio griff auf das Textschema zurück, das Wilhelm Lotz für seine 1862/1863 in zwei Bänden erschienene Kunst-Topographie Deutschlands entwickelt hatte, nämlich die Denkmale nach der alphabetischen Ordnung ihrer Standorte vorzustellen und in einer sehr verknappten und formelhaften Sprache zu beschreiben. In Anbetracht der seit der Arbeit von Lotz sprunghaft angewachsenen kunsthistorischen Literatur verzichtete er aber auf Literaturangaben in den Objektartikeln und verwies nur noch auf das den jeweiligen Standort betreffende offizielle Inventar der Kunstdenkmale, wenn ein solches schon vorlag. Dabei ist es bis heute geblieben, wenn auch die Denkmalsbeschreibungen an Umfang zunahmen und auf die meisten der von Lotz eingeführten und noch von Dehio für die Beschreibung der Denkmale verwendeten Abkürzungen[3] verzichtet wurde.
Bei der ersten, von Georg Dehio erarbeiteten Ausgabe, zwischen 1905 und 1912 erschienen, war das Gebiet des Deutschen Reiches in fünf Teilbearbeitungsgebiete eingeteilt, für die jeweils ein Band herausgegeben wurde (siehe: Übersicht über alle erschienenen Ausgaben). Nachdrucke und Neubearbeitungen dieser Bände erschienen zwischen 1914 und 1944. Bis 1928 wurde das Dehio-Handbuch im Verlag Ernst Wasmuth, danach im Deutschen Kunstverlag veröffentlicht. Die Betreuung des Handbuchs oblag seit 1941 der Dehio-Vereinigung, nachdem Georg Dehio bereits 1932 verstorben war.
Das Dehio-Handbuch wird seit 1933 auch für Österreich herausgegeben. Federführend tätig für die österreichischen Bände waren anfangs Dagobert Frey und Karl Ginhart. Für die österreichischen Bände lautete der Titel der Reihe 1933–1938 Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, 1938–1941 Georg Dehio. Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler in der Ostmark, 1943 Handbuch der Kunstdenkmäler in den Donau- und Alpengauen und seit 1945 Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Die Bände erscheinen im Verlag Berger (früher im Verlag Anton Schroll & Co.). Sie werden seit 1953 vom Österreichischen Bundesdenkmalamt herausgegeben.
Zwischen 1935 und 1964 erschienen von Ernst Gall neu bearbeitete Bände („Dehio-Gall-Bände“). Gall, den Dehio als Nachfolger für die Projektleitung vorgeschlagen hatte, rückte von einer streng alphabetischen Auflistung der Orte ab und gruppierte den Stoff der einzelnen Bände nach Regionen, um Exkursionen bequemer planen zu können.
Nach dem Tod Galls 1958 gründete sich die Dehio-Vereinigung neu. Sie orientierte sich bei den nun folgenden, seit 1964 erscheinenden und bis heute weitergeführten Neubearbeitungen des Dehio-Handbuchs an den Bundesländern und kehrte wieder zur alphabetischen Auflistung der Orte zurück. Auch hier erscheinen in der Regel unregelmäßig Neuauflagen. Manchmal wurde das Bearbeitungsgebiet der Bände neu zugeschnitten.
Von 1965 bis 1988 erschienen im Einvernehmen mit der Dehio-Vereinigung und mit Genehmigung des Deutschen Kunstverlages für das Gebiet der DDR – mit Ausnahme des nicht mehr fertiggestellten Bandes über die Bezirke Erfurt, Gera und Suhl – sechs Bände im Akademie-Verlag Berlin, bearbeitet von der Arbeitsstelle für Kunstgeschichte bei der Akademie der Wissenschaften, später beim Institut für Denkmalpflege der DDR. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3. Oktober 1990 erschienen die ersten Neuausgaben des Handbuchs für die neuen, ostdeutschen Bundesländer 1996–2003.
Seit 1993 erscheinen Bände für Polen. Als Reihenname wurde zunächst Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler Polens, später Dehio-Handbuch Kunstdenkmäler in Polen gewählt.
Von 2001 bis 2008 wurde das Dehio-Handbuch von einem Herausgebergremium getragen, das sich aus der Dehio-Vereinigung, der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zusammensetzte. 2008 zog sich letztere aus der Herausgeberschaft zurück, um sich mehr ihren Hauptaufgaben widmen zu können.[4]
Mit Stand 2012 deckten insgesamt 24 Bände das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ab. Die Bände werden regelmäßig überarbeitet und bei Bedarf auch neu verfasst.
Für Polen ist als erster Band einer neuen Reihe Dehio – Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen in Zusammenarbeit mit dem Herder-Institut und dem Krajowy Ośrodek Badań i Dokumentacji Zabytków, Warschau, erschienen:
Im Jahr 2020 ist erschienen:
Bereits früher ist erschienen:
Die ersten Bände bearbeitet von Georg Dehio.
Bearbeitet von Ernst Gall.
Sonderbände
Eine digitale Version der modernen Ausgaben des Dehio-Handbuchs zu den Bundesländern Deutschlands, mit einer integrierten Bilddatenbank, ist am Bildarchiv Foto Marburg – Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte in Zusammenarbeit mit der Dehio-Vereinigung als dem Herausgeberkreis in Vorbereitung.[8]
Als Ergänzung zum Dehio erschien ebenfalls im Deutschen Kunstverlag die Reihe Deutsche Kunstdenkmäler – Ein Bildhandbuch. In der DDR wurden die Bände von der Edition Leipzig herausgegeben.
Für das Gebiet der Schweiz erscheint seit 1934 in immer wieder überarbeiteten Auflagen der Kunstführer durch die Schweiz, der zuerst von Hans Jenny bearbeitet wurde und nunmehr in fünf Bänden in Neuauflage (2005 ff.) von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte herausgegeben wird. Ebenso wie das Dehio-Handbuch liefert er eine wesentliche Grundlage für die allgemeine Kunsttopografie.
Von 1951 bis 1974 wurde die von dem Kunsthistoriker Nikolaus Pevsner begründete, nach Grafschaften gegliederte Architekturführerreihe The Buildings of England (Die Bauten Englands) im Penguin Verlag herausgegeben. Die mit einer Startauflage von 30.000 Exemplaren begonnene Serie erreichte 46 Bände. Nachdem die ersten Titel im Taschenbuchformat erschienen waren, folgten später auch Festeinbände mit Schutzumschlag.[9] Ende der 1970er Jahre wurde die Reihe mit Bearbeitungen für Schottland, Wales und Irland ergänzt. Während Wales mit dem Band für Gwynedd 2009 und Schottland mit den Bänden für Lanarkshire und Renfrewshire im November 2016 abgeschlossen wurde, liegt für Irland, dessen erste Bände bereits 1979 erschienen waren, noch keine abschließende Bearbeitung vor, ja wurde für einzelne Gebiete noch nicht einmal mit den erforderlichen Forschungsarbeiten begonnen. Die meisten Bände erfuhren Folgeauflagen, die überwiegend von anderen Autoren verfasst wurden.[10] Die Bände werden nunmehr vom Verlag Yale University Press verlegt.
In Frankreich hat der Verlag Hachette zwischen 1992 und 1996 fünf Bände (Île-de-France, 1992; Paris, 1994; Centre – Val de Loire, 1995; Champagne Ardenne, 1995; Languedoc-Roussillon, 1996) des unter Leitung von Jean-Marie Pérouse de Montclos veröffentlichten Guide du Patrimoine herausgebracht.
Zwischen 1957 und 1994 erschien im Reclam-Verlag nach dem Vorbild des Dehio die mehrere Bände umfassende Reihe Reclams Kunstführer. Im Gegensatz zum Dehio-Handbuch behandelte dieser Kunstführer auch zahlreiche Nachbarstaaten, wie beispielsweise Frankreich, Österreich, Italien und die Schweiz. Außerdem enthielten die einzelnen Bände auch Abbildungen.
Von 1978 bis 1990 edierte der Henschelverlag die vom Institut für Denkmalpflege der DDR herausgegebene Reihe Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR.[11] Die Bände waren mit reichlich s/w-Fotos ausgestattet, die den Bauzustand vieler Innenstädte in der DDR-Zeit unter denkmalpflegerischem Gesichtspunkt anschaulich dokumentieren. Grundsätzlich sollte jedem Bezirk ein nach Stadt- und Landkreisen, für Berlin nach Stadtbezirken, geordneter Band gewidmet werden; für Berlin gab es jedoch eine zweibändige Ausgabe.
Die Reihe begann 1978 mit dem Band für den Bezirk Potsdam, dessen 2. Auflage bereits 1979 folgte. Aufgrund der im Ergebnis der Grenzöffnung 1989 veränderten politischen Lage wurde 1990 kurzfristig ein Auszug nur für den Stadt- und Landkreis Potsdam mit leicht verändertem Layout des Schutzumschlags publiziert. Dieser Ausgabe war neben dem erläuternden Vorwort zusätzlich ein 20-seitiger Fototeil mit Messbildaufnahmen von 1911/12 vorangestellt, die das alte, unzerstörte Potsdam, u. a. der Alte Markt mit Rathaus und Palast Barberini, die Garnisonkirche, die Heiligengeistkirche, den Stadtkanal oder das Stadtschloss nebst Innenräumen, zeigten.
Es folgten 1980 Frankfurt/Oder, 1982 Neubrandenburg (2. Auflage 1986) und 1983/1987 Berlin (Hauptstadt der DDR); der erste Band von Berlin erlebte 1984 eine Nachauflage. Der letzte Band in der DDR erschien 1990 unter dem Titel Mecklenburgische Küstenregion. Mit den Städten Rostock und Wismar; die östliche Küstenregion bis zur polnischen Grenze fehlte also zunächst.
Erst 1995 folgte noch in derselben Gestaltung der bereits in der DDR-Zeit geplante Titel Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern: Vorpommersche Küstenregion. Mit dem nun vom Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern wiederum im Henschel Verlag herausgegebenen Band wurde die Bearbeitung der ehemaligen DDR-Küstenregion vervollständigt und auch eine Beschreibung des Denkmalbestandes der Hansestädte Stralsund und Greifswald sowie der Insel Rügen und der Halbinsel Usedom vorgelegt.
Die Reihe erreichte damit insgesamt nur sechs Titel in sieben Bänden und deckte so nur den größten Teil der Fläche der mittleren und nördlichen Bezirke der DDR ab. Der Nord-Bezirk Schwerin und der gesamte Süden des ehemaligen DDR-Gebiets mussten aufgrund der Wiedervereinigung, die die Weiterführung des Projekts obsolet werden ließ, unbearbeitet bleiben.
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.