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Gemälde von Théodore Géricault Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Floß der Medusa (französisch Le Radeau de la Méduse) ist ein Gemälde des französischen Romantikers Théodore Géricault (1791–1824). Dieser schuf das Bild 1819 in Öl auf Leinwand. Das großformatige, 4,91 × 7,16 Meter messende Bild hängt heute im Louvre in Paris.
Das Floß der Medusa |
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Théodore Géricault, 1819 |
Öl auf Leinwand |
491 × 716 cm |
Louvre |
Als Géricault das Gemälde 1819 beim Pariser Salon zur Ausstellung einreichte, war er sich der öffentlichen Provokation durch das Motiv durchaus bewusst und wählte daher nicht von ungefähr den unverfänglichen Titel Szene eines Schiffbruchs. Kaum war es dort der Öffentlichkeit präsentiert worden, wurde den Ausstellern und Salonbesuchern klar, dass Géricault Frankreich mit diesem Bild ein unangenehmes Vermächtnis hinterlassen würde: die Erinnerung an einen skandalösen Vorfall aus dem Jahr 1816, der zur Entlassung des für die Marine zuständigen Ministers und von 200 Marineoffizieren führte und den die französischen Zeitgenossen lieber dem Vergessen anheimgegeben hätten.
1816 hatte England die während der Napoleonischen Kriege besetzte westafrikanische Kolonie Senegal an Frankreich zurückgegeben. Dies war für die französische Regierung der Anlass, einen Verband aus vier Schiffen mit Infanteristen zum Schutze des überseeischen Besitzes sowie Verwaltungsbeamten und Forschern nach Afrika zu entsenden. Die Fregatte Méduse gehörte diesem Konvoi an. Unter den annähernd 400 Personen an Bord des Schiffes befand sich auch der neue Gouverneur des Senegal, der Royalist Julien-Désiré Schmaltz. Die Méduse stand unter dem Kommando des Kapitäns Hugues Duroy de Chaumareys, der, vor Napoleon geflohen, seine Karriere nicht auf See, sondern 25 Jahre lang in Emigrantensalons von Koblenz und London gemacht hatte.
Nachdem das Schiff auf Grund gelaufen und das Wiederfreikommen misslungen war, befahl Kapitän de Chaumareys den Bau eines Floßes aus den Masten und Rahen der Medusa, da für die 400 Menschen an Bord nur sechs Boote vorhanden waren. Das Floß mit den beachtlichen Ausmaßen von 8 × 15 Meter musste 149 Menschen aufnehmen. Die Boote sollten das Floß an Land ziehen. Nach kurzer Zeit kappte man die Seile. Auf dem Floß kam es in Folge der fehlenden Nahrung zu Kannibalismus, so dass schließlich noch 15 Personen gerettet werden konnten, von denen dann jedoch 5 weitere starben.
Géricault hegte eine tiefe Faszination für das Schiffsunglück und stellte fest, dass ein Werk, welches dieses Unglück verarbeitete, seine Stellung als Kunstmaler entscheidend verbessern könnte. Nach seinem Entschluss, die Medusa in einem Gemälde darzustellen, begann er mit umfassenden Recherchen. Im Jahre 1818 traf er zwei Überlebende des Unglücks, Henri Savigny, einen Arzt, und Alexandre Corréard, einen an der École nationale supérieure d’arts et métiers ausgebildeten Ingenieur. Nach dem Kunsthistoriker Georges-Antoine Borias eröffnete Géricault sein Studio gegenüber dem Beaujon-Krankenhaus, und ein „trauerhafter Abstieg begann. Hinter verschlossenen Türen warf er sich in seine Arbeit. Nichts widerte ihn an. Er war gefürchtet und wurde vermieden.“[1]
Frühere Reisen hatten Géricault schon mit Patienten bekannt gemacht, die unter Pest und psychischen Krankheiten litten, und während seiner Recherchen für die „Medusa“ wuchs in ihm ein obsessives Interesse an einer originalgetreuen Abbildung von Leichen und der Leichenstarre. So skizzierte er in der Leichenhalle des Beaujon-Krankenhauses, studierte die Gesichter von sterbenden Patienten, und brachte amputierte Gliedmaßen in sein Studio, um deren Verwesung zu studieren. Auf einem 1818/1819 erstellten Gemälde sind einige dieser abgetrennten Körperteile zu sehen. Ebenso zeichnete er, während zweier Wochen, einen abgetrennten Kopf, den er von einer Irrenanstalt ausgeliehen hatte. Um eine übermäßige Geruchsbelastung zu vermeiden, verstaute er diesen auf dem Dach seines Studios.
In einer weiteren Phase arbeitete er mit Corréard, Savigny und einem weiteren Überlebenden des Unglücks, dem Schreiner Lavillette, an einem detaillierten, jedoch verkleinerten Modell des Floßes. Dieses wurde letztlich auf der Leinwand abgebildet. Géricault beauftragte Modelle, dokumentierte sein Wissen über das Floß und das Unglück in einem Dossier, kopierte relevante Gemälde anderer Künstler, und reiste zuletzt auch nach Le Havre, um die See und den Himmel zu studieren. Ein Besuch bei britischen Künstlern erlaubte es ihm ebenfalls, während der Ärmelkanal-Querung die See zu studieren.
Géricault plante ursprünglich, mehrere Momente der Schiffskatastrophe darzustellen, und zeichnete und malte daher verschiedene Entwürfe. Letztlich stieß er auf Schwierigkeiten, und nach einer langwierigen Entscheidung kam er zum Schluss, nur noch eine dramatische Szene darzustellen. Unter den zuletzt geprüften Alternativen befanden sich die Meuterei gegen die Offiziere, den Kannibalismus, und die Rettung – welche letztlich umgesetzt wurde: Das Schiff Argus am Horizont, welches sie mit Signalen auf sich aufmerksam machen wollten – aber es fuhr vorbei. Gut informierte Betrachter wüssten, wie diese Szene einzuordnen sei – sie stellte jenen Moment dar, als für die Besatzung alle Hoffnung verloren schien. Jedoch tauchte die Argus zwei Stunden später wieder auf und nahm die Überlebenden an Bord.
Der Autor Rupert Christiansen wies darauf hin, dass das Gemälde mehr Menschen zeigt, als während der Rettung an Bord waren. Ebenso fanden die Retter keine Leichen vor. Auch hatte Géricault das Wetter dramatischer dargestellt. Es handelte sich um einen sonnigen Morgen mit ruhiger See, und nicht um einen aufziehenden Sturm.
Auf das Bild hatte sich Géricault gut vorbereitet: Er studierte Beschaffenheit und Farbe von Leichen, skizzierte im Vorfeld zahlreiche Szenen – u. a. eine Kannibalismusszene, die er wieder verwarf – und sprach ausführlich mit dem Arzt Savigny, den er im Bild porträtierte (es ist der bärtige Mann links neben dem Mast). Trotz des realen Hintergrunds ist das Gemälde Ausdruck hoher künstlerischer Freiheit. Dass das Floß erheblich größer gewesen ist, wird von Géricault im linken Bereich des Bildes lediglich angedeutet. Im Übrigen darf man annehmen, dass die überlebenden Offiziere und Infanteristen uniformiert gewesen sind und dass die Schiffbrüchigen nach 13 Tagen des Hungers ausgemergelte Erscheinungen waren. Die erstaunlich muskulösen Menschenleiber türmen sich im Bild zu einer Pyramide auf. Die stürmische See und die bedrohlichen Wolken entsprechen ebenfalls nicht den damaligen Bedingungen. Dass die Verzweifelten der Sonnenglut ausgesetzt waren, schien Géricault nicht der hinreichende Ausdruck für die Hilflosigkeit und die Todesangst der Schiffbrüchigen zu sein. Auch das sich blähende Segel dürfte in der Form nicht vorhanden gewesen sein. Die Besatzung der Argus berichtete davon, dass sie bei Sichtung des Floßes zunächst davon ausgegangen war, bei den am Mast und Seilen befestigten Fetzen handele es sich um Reste eines Segels oder Wäsche, tatsächlich war es in Stücke geschnittenes Menschenfleisch, das zum Dörren aufgehängt worden war.
Der rechts unten im Wasser hängende Körper wurde von Géricault kurz vor der öffentlichen Präsentation aus kompositorischen Gründen nachträglich hinzugefügt, um die Pyramidenform der Leiber herzustellen. Aus diesem Grund ist der eingefügte Torso im Verhältnis zu den anderen Körpern deutlich größer geraten. Die Ausstellung des Bildes brachte dem Künstler nicht die erhoffte sofortige Anerkennung – eine subjektiv empfundene Niederlage, von der er sich zeit seines Lebens nicht erholte. Heute gilt das Gemälde als ein großes Meisterwerk der französischen Malerei. Es sei „Teil des französischen Selbstbildes wie die Mona Lisa oder der Eiffelturm.“[2]
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