Brandenburgische Universität Frankfurt
Brandenburgische Universität Frankfurt (1506-1811) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Brandenburgische Universität Frankfurt (1506-1811) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Brandenburgische Universität Frankfurt (auch Alma Mater Viadrina oder kurz Viadrina genannt) war die erste Universität in Brandenburg. Sie wurde 1506 in Frankfurt (Oder) gegründet, 1811 nach Breslau verlegt, mit der dortigen Universität Leopoldina vereinigt und als Königliche Universität zu Breslau weitergeführt.
1498 stellte Papst Alexander VI. einen Stiftungsbrief für die Universität aus. Im selben Jahr wurde an der Stelle einer bei einem Pogrom zerstörten Synagoge mit dem Bau des Kollegienhauses begonnen. Bauleiter war Stephan Hundertmarks, der später Bürgermeister wurde. Geldgeber war der Stadtrat. Bis zur Fertigstellung des zweistöckigen Gebäudes im Jahr 1507 kostete das Projekt die Stadt 1100 Schock Groschen.
Papst Julius II. genehmigte am 15. März 1506 die Errichtung der Alma Mater Viadrina. Sie wurde am 26. April 1506 durch Kurfürst Joachim I. als erste Universität in Brandenburg gegründet. Im Gründungsjahr immatrikulierten sich über 900 Studenten aus den deutschen Ländern, aus Polen, Schweden, Norwegen und Dänemark. Die Stadt Frankfurt an der Oder zählte damals 5.000 Einwohner.
An der Viadrina wurden die klassischen vier Fakultäten betrieben, also Theologie, Rechtswissenschaft, Medizin und Philosophie.
Der Name Viadrina kommt aus dem Lateinischen und lässt sich mit „die an der Oder gelegene“ übersetzen. Die Herkunft des Namens Viadrus als Name der Oder ist umstritten. So wird vermutet, der neulateinische Name Viadrus sei von dem Frankfurter Professor Jodocus Willich für die Oder eingeführt worden.[2] Er findet sich in der Frankfurter Stadtansicht der Cosmographia von 1550. Der Holzstich von 1543 ist die erste Stadtansicht Frankfurts; bereits die Karte zur Germania magna der Ulmer Ptolemäus-Ausgabe von 1482 nennt aber die Bezeichnung Viadus fl.[3][4]
Zum Stolz der Stadt erhielt das Kollegienhaus 1511 eine Wasserleitung. In den zwei Hörsälen lehrten zwölf besoldete Magister der Artistenfakultät. Kurz nach 1516 wurde die Bibliothek mit dem Erstbestand aus einer Erbschaft des verstorbenen Siegfried Uttensberger im Dachgeschoss angelegt. Ab 1659 war Jonathan Le Clercq erster Bibliothekar der Universität. Die Bibliothek wurde neben der Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg eine der großen in Preußen.
In den Pestjahren 1613, 1625, 1626 und 1656 wurde die Universität in die nahegelegene Stadt Fürstenwalde/Spree verlegt.
1678 wurde auf Befehl von Kurfürst Friedrich Wilhelm westlich des Gebäudes ein botanischer Garten angelegt. Bernhard Friedrich Albinus ließ 1684 im Erdgeschoss ein Anatomisches Theater anlegen. Durch Schäden vom Dreißigjährigen Krieg und die nachfolgende Vernachlässigung der Bausubstanz war das Gebäude 1690 vom Einsturz bedroht. Von 1693 bis 1694 wurde das Gebäude dann grundlegend restauriert und um ein Stockwerk erhöht, die Schmuckgiebel wurden entfernt. Über dem Zugang war eine Mondsichelmadonna. Die Kartusche trug die Beischrift:[5]
Zur Erneuerung Preußens nach dem Frieden von Tilsit (1807) gehörte eine Reform der Universitäten. An die Stelle der bereits 1806 durch Napoleon Bonaparte geschlossenen Friedrichs-Universität im von Preußen abgetrennten Halle trat in Berlin die Universität zu Berlin. Am 24. April 1811 unterzeichnete König Friedrich Wilhelm III. die Kabinettsorder an den Staatskanzler Karl August von Hardenberg:[6]
„Da bei der Nähe der Universität in Berlin sich die in Frankfurt nicht länger erhalten kann, wie die Erfahrung schon jetz hinreichend erweist, und kein Zweifel ist, daß sie sich bald von selbst auflösen würde; da dagegen die Einziehung der geistlichen Güter in Schlesien die dortigen literarischen und Kunstschätze mehrt, ein zweckmäßigeres Locale darbietet und die Lage der Provinzen dafür spricht, so setze ich hiermit fest:
- Die Universität Frankfurt wird nach Breslau verlegt.
- Zu Michaelis 1811 fangen daselbst schon die Collegia an.
- Der Geh. Staatsrat von Schuckmann wird alles, was zur Verlegung und Einrichtung erforderlich ist, sogleich einleiten und mir durch Sie die nötigen Vorschläge überreichen.“
Die im August 1811 geschlossene Viadrina vereinigte sich mit der Leopoldina in Breslau zur Königlichen Universität zu Breslau. Viele Professoren gingen an diese neue Volluniversität, andere nach Berlin. Der Bestand der Bibliothek von ca. 28.000 Büchern wurde im selben Monat auf Veranlassung von Professor Schneider über die Oder nach Breslau verschifft.
Nach der Schließung der Universität wurde die mittlere Etage dem Konditor Couriol überlassen, der darin Maskenbälle veranstalten durfte. 1815 ging das Gebäude vom Staat in das Eigentum der Stadt über und die Untergeschosse wurden als Heu- und Strohmagazin verwendet. Als Gegenleistung überließ die Stadt dem Staat das Gebäude der Stadtschule, den Stadthof. Im obersten Stockwerk befand sich aber seit 1758 weiterhin die Bibliothek der Königlichen Friedrichschule.
1822 wurde das Gebäude zur Stadtschule umgebaut, nachdem die Lagerbestände ins nahe Fouragemagazin verlagert worden waren. Geplant hatte den Umbau der Stadtbaurat Clemens; ausgeführt wurden die Arbeiten von Maurermeister Riegel. Im November 1824 wurde der Schulbetrieb aufgenommen.
Die Schule zog am 25. April 1911 in ein Gebäude in der Wieckestraße. Von 1914 bis 1945 diente das Kollegienhaus als Volksschule (Georgenschule). Sie überstand den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden und wurde daher 1945 als Unterkunft für Flüchtlinge aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches genutzt.
Danach blieb das Gebäude ungenutzt. 1953 gab es Pläne und bereits bewilligte Mittel, hier einen Jugendclub einzurichten; allerdings wurden die Pläne von der Staatlichen Plankommission verworfen. Auch Bemühungen des Denkmalschutzes waren nicht erfolgreich.[7] Am 20. Dezember 1962 um 14 Uhr wurde das inzwischen zur Ruine verkommene Gebäude abgerissen, um einem geplanten Wohnkomplex Platz zu machen.
Insgesamt gab es zwischen 1506 und 1811 mehr als 250 verschiedene Prorektoren. Rektor war der Landesherr. Viele Professoren waren mehrfach Rektor. So wechselte von 1509 bis 1749 die Besetzung der Position jedes Semester.[8]
Bis zu ihrer Verlegung nach Breslau studierten an der Alma Mater Viadrina 55.000 Personen.
Bei der Eröffnung der Universität war es, wie in den größten Teilen Europas, den Juden verboten, sich zu immatrikulieren. Als Kurfürst Johann Sigismund (Brandenburg) 1613 zur reformierten Kirche übertrat, neigte die Frankfurter Universität immer mehr zum Calvinismus. Der spätere Professor, Universitätsbibliothekar und Rektor Johann Christoph Bekmann besuchte im Rahmen einer Bildungsreise 1663/64 die für jüdische Studenten geöffnete Universität Leiden und ließ sich in Amsterdam vom Rabbiner Jacob Abendana „im Talmudischen und in der arabischen Sprache unterrichten“.[10] 1673 eröffnete Bekmann in Frankfurt eine Druckerei, in der hebräische Werke gedruckt wurden, darunter 1697 die erste vollständige Ausgabe des Babylonischen Talmud in Deutschland.[11]
Am 29. April 1678 erteilte der Kurfürst Friedrich Wilhelm Gabriel Moschowitz (auch „Gabriel ben Mose“) und Tobias Moschowitz (auch „Tobias ben Mose“ aus Metz) als ersten jüdischen Studenten das Recht, an der Universität zu studieren. Das Studieren war allerdings durch die Kränkungen und abfällige Bemerkungen über das Judentum durch die Professoren nicht einfach. Ihre Promotion erlangten beide später an der Universität Padua, da sie ihnen in Frankfurt verwehrt blieb. Tobias wurde später Leibarzt des Sultans in Konstantinopel. Salomon Liebmann war der nächste namentlich bekannte Jude, welcher ebenfalls auf Geheiß des Kurfürsten ab 1695 an der Viadrina studierte. Die erste Promotion eines Juden erfolgte am 15. Oktober 1721. Den Doktorgrad erhielt Moses Salomon Gumpertz, der zuvor an der Karls-Universität studiert hatte. Bis 1794 wurden 29 Juden in Medizin promoviert, unter ihnen Marcus Elieser Bloch.
Der letzte immatrikulierte jüdische Student der alten Universität war Wilh. Salomon Hirschel, der sich am 28. September 1810 einschrieb; sein Studium konnte er aber durch die Schließung der Universität in Frankfurt nicht beenden. Insgesamt hatten bis dahin etwa 140 Juden in Frankfurt studiert; die meisten kamen aus Polen-Litauen, manche aus Prag und Amsterdam, einer aus London.[12]
Die Studenten waren in Kränzchen zusammengeschlossen. Die Chargierten trugen landsmannschaftliche Uniformen.[13] Am 16. Februar 1798 gründeten die Frankfurter Kränzchen den in deutschen Landen ersten Senioren-Convent. Der SC-Comment ist der älteste erhaltene.[14]
Zur Erinnerung an die Universitätsgründung veranstaltete die Stadt Frankfurt 1906 eine 400-Jahr-Feier. „Sitz einer Universität wird unsere Stadt schwerlich jemals wieder werden“, bedauerte man.[15][16][17]
180 Jahre nach der Universitätsschließung, im Juli 1991, wurde in Frankfurt die Europa-Universität Viadrina neu gegründet.
Heute erinnern noch der Straßenname An der Alten Universität und eine Reliefmauer an die ehemalige Universität.
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.