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Aufstände und Revolten gegen die britische Herrschaft in Indien

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Aufstände und Revolten gegen die britische Herrschaft in Indien
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Diese Liste der Aufstände und Revolten gegen die britische Herrschaft in Indien enthält die wichtigsten derartigen Ereignisse. Allein zwischen 1763 und 1856 sollen 40 bedeutende und über 100 kleinere Aufstände und Rebellionen vorgekommen sein, zu deren Niederschlagung bewaffnete Kräfte eingesetzt wurden.[1]


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Hinrichtung zweier Rebellen (Felice Beato, 1858)

Auslösender Faktor in fast allen Fällen war die drückende Steuerlast oder deren rücksichtslose Eintreibung. So verdoppelte sich das Steueraufkommen in den ersten Jahrzehnten der Herrschaft der Britischen Ostindien-Kompanie gegenüber der Zeit des Mogulreichs im Bereich des Permanent Settlement, die Belastung der Bauern versiebenfachte sich jedoch. Auch wurde mit den Briten erstmals privater Landbesitz eingeführt (statt gemeinschaftlichem), was zur Heranbildung einer parasitären Klasse abwesender Grundbesitzer führte.[2]

Auch während der Hungersnöte in weiten Teilen des Landes, die durch das Ausbleiben des Monsuns häufig vorkamen (verursacht von der El Niño-Southern Oscillation),[3] wurden die Steuern weiterhin eingetrieben und säumige Bauern von ihrem Land durch Zwangsvollstreckung vertrieben, wie dies ganz im Sinne der herrschenden liberalen Ideologie des Freihandels auch in Irland 1845–1848 praktiziert wurde. Während des Anfangsjahres einer solchen Dürre ist das Ansteigen von Rebellionen zu beobachten.[4]

Viele Aufstände, besonders der tribals („Volksstämme“: Adivasi, heute: Scheduled Tribes), wurden auch durch die Zerstörung von traditionellen Lebensweisen (beispielsweise halbnomadische Lebensweise, die intensive Waldnutzung voraussetzt) ausgelöst.

Die Aufstände lassen sich in fünf Gruppen unterteilen, wobei einzelne Aufstände durchaus in mehrere Kategorien passen:

  1. restorative Rebellionen: Versuche, die Briten zu vertreiben (meist vor 1857)
  2. religiöse Bewegungen: oft mit messianischen oder Weltuntergangsprophezeiungen[5]
  3. „Sozialbanditen“: wollten die Lebensbedingungen des Volkes verbessern (oft im Sinne von kommunistischen Idealen, ohne dass solche bekannt waren)
  4. (Massen-)Aufstände: gegen einzelne Missstände
  5. „terroristische Vergeltung“: vielfach spontane Ausbrüche

Hinweis: Diese Liste enthält keine Rebellionen, die in den Randgebieten Britisch-Indiens stattfanden (beispielsweise Ceylon oder Oman; zu Ereignissen in der Grenzregion zu Afghanistan siehe Militärkampagnen im Nordwesten Britisch-Indiens). Ebenfalls nicht gelistet werden Aufstände, die außerhalb des geographischen Bereichs des indischen Subkontinents stattfanden, auch wenn deren Niederschlagung häufig vom indischen Finanzminister (mit-)bezahlt wurde (beispielsweise der Mahdi- oder der Boxeraufstand), ebenso wenig Kolonialkriege zur Eroberung.

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Restorative Rebellionen bis 1856

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Plassey 1757, der britische Sieg gilt als der Beginn des Britisch-Indien
  • Angehörige der Kallar-Kaste von Madura 1710–1784.[6] Sie blieben bis ins 20. Jahrhundert aus den Bergen um Madura als „Banditen“ aktiv. Einzelne Dörfer schützten sich dadurch vor Viehdiebstählen, dass sie eine Kalla-Familie als Wächter (kavalgar) anheuerten (und bestachen). Dieses System existierte in Thanjavur mindestens bis 1953.[7]
  • 23. Juni 1757 – Sieg der Truppen der britischen East India Company in der Schlacht bei Plassey, Bengalen. Siraj-ud-Daula, Nawab von Bengalen, wird entmachtet.
  • Dhal-Revolte des Rajas von Dhalbhum, Jagannath Dhal, 1769–1774. Erste Aufstände in der Region von Jharkhand, in das die Briten 1767 von Singhbhum Manbhum aus eindrangen. Befriedungsversuche unter dem Kommando von Lt. Rook and Charles Mogan blieben ohne Erfolg. Die ostindische Kompanie akzeptierte, Jagannath Dhal wieder als Herrscher einzusetzen, sofern er einen jährlichen Tribut (der über die Jahre anstieg; ab 1800: 4267 Rs.) zahlte.[8]
  • Chuar-Aufstände von Medinipur (West-Bengalen), 1766–1772, 1795–1816 (Schwerpunkt 1799, etwa 1500 Rebellen unter Durjan Singh kontrollierten 30 Dörfer); erneut 1832 in der Region von Manbhum (heute Distrikt Purulia und Bihar)
  • Raja Chait Singh mit der Unterstützung von Hindu- und Muslim-Grundbesitzern (zamindar) in Oudh, 1778–1781. Die überlebenden Zamindare, deren Forts zerstört worden waren, wurden gezwungenermaßen zu Banditen. Die folgenden Plünderungen und die rigorose Eintreibung von Abgaben war ursächlich für die Hungersnot 1784.
  • Raja Vizieram Rauze in Vizagapatam[9], 1794. Der Raja fiel in einer Schlacht. In der Region kam es unter Birabhadra Rauze (1830) und Jagannath Rauze (1832–1834) zu weiteren Aufständen.
  • Wazir Ali Khan, der abgesetzte Nawab von Oudh in Benares und Gorakhpur 1799[10]
  • Maratha Dhundia Wagh († 9. September 1800 in Kongal) in Mysore, 1799–1800. Der Kommandeur britischerseits war der aufstrebende Arthur Wellesley.
  • Pazhassi (oder „Pyche“) Raja in Nord-Malabar, 1796–1805. Der Raja fiel in einer Schlacht am 30. November 1805.
  • Poligars (ehem. militärische Kommandeure) in Bellary, Anantapur, Cuddapah und Kurnool, 1803-5
  • Poligars von Tinnevelly, 1801
  • Rebellion des Raja von Cuttack (Orissa) Mukunda Deva II. 1804, geführt von seinem Ratgeber Jayi Rajguru, der dafür hingerichtet wurde.
  • Poligars in North Arcot, 1803-5
  • Sepoyaufstand in Vellore, 1806
  • Diwan Velu Thampi († 1809; wurde nach seinem Tode zur Abschreckung noch öffentlich aufgehängt) von Travancore, der eine professionell geführte Armee von 30.000 Mann kontrollierte, dazu kam eine noch größere Zahl Irregulärer, größtenteils Bauern; 1808-9.
  • Erben des Desai von Kittur geführt von Rani Chinnava (1778–1829), die ihre Herrschaft unter der Doctrine of Lapse verloren hatten, 1824. Seit 2007 wird die Rani mit einem Denkmal vor dem Parlament in Neu-Delhi geehrt.
  • der abgesetzte Gopal Singh von Bundelkhand, 1802–1812. Der Raja wurde 1812 wieder in sein Amt eingesetzt.
  • 1817 Aufstand der Kommandeure mehrerer Forts in Aligarh, das seit 1803 unter britischer Herrschaft stand.
  • Paika (Milizionäre) des abgesetzten Raja von Cuttack (Kurdah, Orissa) und Khonds, unter Führung von Bakshi Jagabandhu,[11] auch wegen Änderung der Landbesitzverhältnisse, dem Salzmonopol und Abschaffung der Kaurischnecke als Zahlungsmittel. Die Paika wurden als Klasse praktisch komplett vernichtet. 1817–1818
  • Angehörige der Baniya-Kaste aus Gujarat, daher Gujars, in Sindh, 1824
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Messianische Aufstände bis 1856

Diesen Rebellionen ist gemeinsam, dass sie charismatische Führer hatten, denen vielfach übernatürliche Kräfte zugeschrieben wurden. Oft wurde die Errichtung eines gerechten Gottesstaates propagiert. Diese Bewegungen entstanden gleichermaßen unter Hindus, Moslems und tribals. Derartige Aufstände fanden häufiger im Osten Indiens und nach Hungersnöten statt.[12]

  • 1827–1831: Muslime aus der Sekte der Maulvis, meist entrechtete Landpächter, geführt von Titu Miyan, in den Gebieten um Barasat, Nadia, Faridpur, Jessore und Kolkata; von hinduistischen Grundbesitzern wurden Abgaben eingetrieben; der Anführer endete im Gefängnis von Alipur, das bis heute das wichtigste Gefängnis für Rebellen blieb und das über die Jahrzehnte immer wieder ein Zentrum von Misshandlungen und Gefangenenmassakern war[13]
  • 1824–1833: muslimische Pagal Panthis, Konvertiten aus den Völkern der Garo und Hajong, unter Tipu Shah im nördlichen Mymensingh
  • muslimische Faraizis in Bogra und Faridpur (1838–1851); unter der Führung von Dudu Miyan entstand eine parallele Verwaltungsstruktur
  • 1855–1856: Santal-Aufstand (hool)
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Tribals

Zusammenfassung
Kontext

Im ganzen 19. Jahrhundert kam es zu hunderten kleineren Aufständen der tribals (indigene Stämme, heute Scheduled Tribes), die besonders litten unter der Einbindung in das koloniale Wirtschaftssystem, durch die Einführung von Privateigentum an Land und Wäldern und der oft gewaltsamen Steuereintreibung. Die „Polizeiaktionen“ endeten in der Regel mit Massakern, Vertreibung oder zerstörten Dörfern.

  • 1818–1831: die Bhil von Khandesh
  • 18??: Aufstand der Ho in der Gegend von Singhbhum gegen den Fürsten Jagannath Singh, der sein Volk ausbeutete und sich auf die Briten stützte
  • 1820: die Mer von Merwara
  • 1820–1837: Teile des Kol-Volk, besonders die Stämme der Ho und Mundas in Chotanagpur (= Chota Nagpur); Schwerpunkt 1831–1832; sie wurden zu Tausenden massakriert,[14] was jedoch weitere Aufstände nicht verhinderte
  • 1829–1858: die Khasi im damaligen Assam (heute Meghalaya)
  • 1832: Revolte der Bhumij- und Chuar-Bauern gegen übermäßige Steuerbelastung durch die Zamindars; der Anführer Ganga Narayan, der auch Unterstützung von den Stämmen der Ho und Kol erhielt, wurde in einem Gefecht mit dem Thakur von Kharswan getötet
  • 1846: die Khond in Orissa
  • 1852, 1857, 1872: die Garo im damaligen Assam (heute Meghalaya)
  • 1859–1881 kam es im Sardari Movement in Chotanagpur erneut zu Aufständen der Munda unter verschiedenen Sardars
  • 1860–1862: die Jaintia/Syteng im damaligen Assam (heute Meghalaya)

Santal Pargana

Im Santal Pargana von Bihar kam es zu zahlreichen Aufständen:

  • 1772–1782: Pahariaya Movement, geführt von Rani Sarweshwari
  • 1783–1785: Tilka-Aufstand der Santal unter der Führung von Tilka Manjhi (* 1850), der einen Guerillakrieg aus den Sultanganj-Bergen führte; er erschoss Augustin Cleveland, den britischen Kommandeur mit einem Pfeil; nach seiner Gefangennahme wurde er in Bhagalpur an einem Baum aufgeknüpft
  • 1855–1856: Santal-Aufstand (hool), angeführt von den Brüdern Sido und Kanhu; etwa 30.000 Aufständische, rund 10.000 mit Pfeil und Bogen Bewaffnete marschierten auf Kolkata; Tote: 5 Europäer, 500 Sepoys und geschätzte 15.000 Rebellen und Zivilisten
  • 1870–1874: Kharwar Movement, geführt von Bhagirath Manjhi, es erwuchs im Wesentlichen aus denselben Gründen wie der gescheiterte Aufstand 1855/56
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„Sozialbanditen“

  • Thuggee, 1650–1850 in Nord- und Zentralindien
  • Sannyasi-Rebellion 1763–1800 in Bengalen. Träger waren religiöse Führer (Hindu Sannyasi und muslimische Fakire), entlassene Soldaten und Zamindare[15][16]
  • Unter Führung des abgesetzten Generals Narasimha Reddi und seinen Anhänger gab es eine Rebellion in Kurnool (Andhra Pradesh) 1846–1847,
  • Nachdem das Volk der Lodhas aus Midnapore im 19. Jahrhundert von ihrem angestammten Land vertrieben wurden, wurden sie zu „kriminellen Kaste“ („criminal caste“)
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Aufstände gegen bestimmte Missstände bis 1856

Die meisten dieser Massenaufstände begannen mit Demonstrationen oder Boykott von Pächtern oder Kleinbauern gegen als solche wahrgenommene Missstände (meist überzogene Abgaben) und entwickelten sich, da keine Abhilfe geschaffen wurde, zu gewalttätigen Rebellionen, die oft in wenigen Wochen niedergeschlagen wurden. Sie waren auch nach 1857 häufig.[17]

  • 1783 im bengalischen Rangpur und Dinajpur: Die Forderungen des Steuerpächters Debisingh waren exzessiv. Seine Handlanger peitschten säumige Bauern aus oder legten sie in Ketten, bis das kollektiv veranlagte Dorf gezahlt hatte. Am 18. Januar stürmte ein Mob das Gefängnis von Tepah. Die Polizei feuerte in die Menge, Im folgenden Kampf wurde der Steuereintreiber Gaurmohan gefangen. Nachdem eine Petition keine Senkung der Abgaben und „Gerechtigkeit“ erreicht hatte, kam es zur Tötung zweier Steuereintreiber. Es sammelte sich eine „Armee“ die die Distrikte durchstreifte und Reiche plünderte. Britische Truppen schlugen den Aufstand in fünf Wochen nieder. Ein Dorfvorsteher wurde gehängt. Die Abgabensituation veränderte sich nicht.
  • 1799 in Bishnupur und Birbhum (östliches Indien)
  • Jats von Haryana, 1809
  • In Mysore, 1830–1831
  • Khandesh, 1852
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1857 bis 1859

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Hinrichtung Aufständischer gegen die Briten

Darin werden als einzelne Aktionsfelder betrachtet

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Nordwestgrenze ab 1849

1859 bis 1947

Zusammenfassung
Kontext
Weitere Informationen Jahr, Bezeichnung ...

Birma

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Der weitere Unabhängigkeitskampf zwischen 1919 und 1947

Zusammenfassung
Kontext

Nach der von der Mohandas Gandhi aufgestellten Doktrin Satyagraha sollte der Kampf um die Unabhängigkeit gewaltfrei verlaufen (Kampagne der Nichtkooperation). Es kam jedoch auch zu gewaltsamen Aktionen, häufig wenn die Kolonialherren in friedliche Mengen schießen ließen oder Verhaftungswellen zum Machterhalt durchführten. Die wichtigsten Phasen (Hauptartikel dazu unter):

Weitere Schlüsselfiguren:

Weitere Informationen Jahr, Bezeichnung ...

Siehe auch

Literatur

  • Suranjan Chatterjee: New Reflections on the Sannyasi, Fakir and Peasants War. In: Economic and Political Weekly. Jahrgang 19, Nr. 4, Januar 1984, S. PE2–PE13.
  • A. R. Desai (Hrsg.): Peasant Struggles in India. Delhi 1979.
  • Kaushalya Devi Dublish: Revolutionaries and Their Activities in Northern India. Delhi 1982.
  • Stephen Fuchs: Rebellious Prophets: A Study of Messianic Movements in Indian Religions. Bombay 1965 (auch als: Messianic Movements in Primitive India. In: Asian Folklore Studies. Jahrgang 24, Nr. 1, 1965, S. 11–62).
  • Kathleen Gough: Indian Peasant Uprisings. In: Economic and Political Weekly. Jahrgang 9, Nr. 32/34, Sonderheft August 1974.
  • Philip J. Haythornthwaite: The Colonial Wars Source Book. London 1995, ISBN 1-85409-196-4.
  • Ranajit Guha: Elementary Aspects of Peasant Insurgency in Colonial India. Delhi 1983.
Portal: Britisches Weltreich – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Britisches Weltreich

Einzelnachweise

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