Das Äolische (auch Aiolische) ist ein altgriechischer Dialekt, der vom Stamm der Aioler gesprochen wurde. Das Verbreitungsgebiet des Dialekts umfasste Böotien, Thessalien, die kleinasiatische Westküste und die Insel Lesbos. In Böotien und Thessalien war das Äolische stark von den benachbarten westgriechischen Dialekten beeinflusst. Von den altgriechischen Dialekten ist das Äolische der altertümlichste.
Literarisch bedeutsam ist das Äolische durch die Dichtungen von Sappho und Alkaios. Auch die größtenteils auf dem Ionischen beruhende Sprache Homers enthält äolische Elemente.
Die wichtigsten Unterschiede zwischen dem Äolischen und dem Attischen, der klassischen Form des Altgriechischen:
Ursprüngliches langes ᾱ (ā) bleibt stets erhalten. Beispiel: äolisch μάτηρ mātēr gegenüber attisch μήτηρ mētēr
Erhaltung des [w]-Lautes (Digamma) Beispiel: äolisch ϝοῖκοςwoíkos gegenüber attisch οἶκοςoíkos
Aspiration unterbleibt (Hauchpsilose) Beispiele: äolisch ἀέλιοςāélios gegenüber attisch ἥλιοςhēlios
Der proto-griechische Labiovelar /kʷ/ wird durchgängig zu π p statt τ t Beispiel: äolisch πίς pis gegenüber attisch τίς tis
Bei der Folge -νς -nsErsatzdehnung auf οι und αι oi und ai statt ου und ᾱ ou und ā Beispiel: aiolisch λύοισι lýoisi und παῖσα paῖsa gegenüber attisch λύουσι lýousi und πᾶσαpā́sa. Entstanden aus *πάνσα *pánsa und *λύονσι *lýonsi.
Verdopplung des Konsonanten statt Ersatzdehnung Beispiel: äolisch ἐμμίemmí gegenüber attisch εἰμίeimí. Beides aus *ἐσμί *esmí.
Vermeidung der Endbetonung Beispiel: äolisch πόταμος pótamos gegenüber attisch ποταμός potamós
Die athematische Konjugation auf -μι -mi ist weiter verbreitet. Beispiel: äolisch φίλημι phílēmi gegenüber attisch φιλέω philéō
Infinitivendung auf -μεν -men statt -ειν -ein Beispiel: äolisch ἀγέμενagémen gegenüber attisch ἄγεινágein
Albert Thumb, Anton Scherer: Handbuch der griechischen Dialekte, Band II. Heidelberg 1959 (v.a. Seiten 1–109).
Wolfgang Blümel: Die aiolischen Dialekte. Phonologie und Morphologie der inschriftlichen Texte aus generativer Sicht. Göttingen 1982.
José L. García-Ramòn: Les origines postmycéniennes du groupe dialectal éolien. Salamanca 1975.
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