Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes
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Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes vom 19. Mai 2020 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst – sei es vom Inland oder vom Ausland aus – an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist und nach der Ausgestaltung im BND-Gesetz in der Fassung des Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vom 23. Dezember 2016 gegen das grundrechtliche Telekommunikationsgeheimnis des Artikel 10 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Art. 10 Abs. 1 GG) und die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) verstößt.[1] Insbesondere ist die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt.[2] Der Gesetzgeber war demgegenüber unter Berufung auf die Präambel des Grundgesetzes von einer Beschränkung der Grundrechte auf das deutsche Staatsgebiet und das deutsche Staatsvolk, mithin der Unanwendbarkeit auf Ausländer im Ausland, ausgegangen.
Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des BND | ||||
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Urteil verkündet 19. Mai 2020 | ||||
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Leitsätze (gekürzt) | ||||
1. Die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG ist nicht auf das deutsche Staatsgebiet begrenzt. 2. Die Regelungen zur Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung verletzen das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG 3. Die Regelung der Auslandsaufklärung fällt unter die auswärtigen Angelegenheiten im Sinne von Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 GG. 4. Personen, die geltend machen, in ihren eigenen Grundrechten verletzt zu sein, sind nicht deshalb vom Grundrechtsschutz des Grundgesetzes ausgeschlossen, weil sie als Funktionsträger einer ausländischen juristischen Person handeln. 5. Die strategische Auslandstelekommunikationsüberwachung ist mit Art. 10 Abs. 1 GG nicht grundsätzlich unvereinbar. 6. Die Übermittlung personenbezogener Daten aus der strategischen Überwachung ist nur zum Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter zulässig 7. Regelungen zur Kooperation mit ausländischen Nachrichtendiensten genügen grundrechtlichen Anforderungen nur, wenn sie sicherstellen, dass die rechtsstaatlichen Grenzen durch den gegenseitigen Austausch nicht überspielt werden 8. Die Befugnisse zur strategischen Überwachung, zur Übermittlung der mit ihr gewonnenen Erkenntnisse und zur diesbezüglichen Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten sind mit den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit nur vereinbar, wenn sie durch eine unabhängige objektivrechtliche Kontrolle flankiert sind. | ||||
Richter | ||||
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abweichende Meinungen | ||||
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Angewandtes Recht | ||||
Art. 5; Art. 10 Grundgesetz |
Eine verfassungsmäßige Ausgestaltung der gesetzlichen Grundlagen der Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung (auch: „Ausland-Ausland-Telekommunikationsüberwachung“) sei laut Bundesverfassungsgericht jedoch möglich. Dem Gesetzgeber gab es eine Neuregelung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Anforderungen auf. Bis zum 31. Dezember 2021 gelten die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Vorschriften jedoch fort.