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Differenz der Stoffmenge bei Gleichgewicht und der am Anfang einer chemischen Reaktion geteilt durch die stöchiometrische Verhältniszahl Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Umsatzvariable oder der Fortschreitungsgrad (veraltet auch Reaktionslaufzahl,[A 1][1] englisch extent of reaction[2]) ist ein Maß für den Fortschritt einer gegebenen chemischen Reaktion. Die Umsatzvariable entspricht der Zahl der im Verlauf einer chemischen Reaktion durchlaufenen Formelumsätze. Sie ist mithin so definiert, dass sie bei jedem möglichen Umsatz bezogen auf alle an der Reaktion beteiligten Stoffe jeweils den gleichen Wert annimmt und sich bei steigendem Umsatz jeweils um den gleichen Wert ändert. Die Umsatzvariable hat die SI-Einheit Mol und ist eine extensive Größe. Als Symbol für die Umsatzvariable empfiehlt die International Union of Pure and Applied Chemistry das kleine Xi .[1][2] In der Fachliteratur werden auch X,[3] x[4] oder ein kleines Chi [5] verwendet.
Die Umsatzvariable dient zur Eingliederung der Stöchiometrie einer Reaktion in mathematische Gleichungen der physikalischen Chemie. Eingeführt wurde sie als degré d'avancement von Théophile de Donder.[1] Noch um 1958 war die Umsatzvariable im deutschsprachigen Hochschul- und Chemietechnik-Bereich unbekannt oder unüblich und wurde teilweise in einschlägigen Fachbüchern nicht erwähnt (siehe, beispielsweise, Walter Brötz: Grundriß der chemischen Reaktionstechnik).[6]
Eine betrachtete chemische Reaktion habe die Reaktanten , ,... mit den konventionsgemäß negativen stöchiometrischen Zahlen , ,... und die Reaktionsprodukte , ,... mit positiven , ,... In der Reaktionsgleichung stehen die Beträge der stöchiometrischen Zahlen:
Es sei die Änderung der Stoffmenge eines an der betrachteten Reaktion beteiligten Stoffes (Reaktant oder Reaktionsprodukt) zwischen zwei bestimmten Zeitpunkten. Teilt man die durch die zugehörigen stöchiometrischen Zahlen , erhält man für alle beteiligten Stoffe jeweils denselben Wert. Entsprechendes gilt für differentielle Änderungen:
was die Umsatzvariable allgemein definiert.[2][7]
Die Umsatzvariable einer Reaktion ist abhängig von der Formulierung der Reaktionsgleichung, da der Reaktionsgleichung die stöchiometrischen Zahlen entnommen werden. Insbesondere haben die stöchiometrischen Zahlen nur dann die konventionellen Vorzeichen, wenn die Reaktion in dieselbe Richtung läuft, wie die Reaktionsgleichung formuliert ist. Dann nimmt im Reaktionsverlauf zu.
Für einen Chargenprozess ist es sinnvoll, von einem Beginn der Reaktion zu sprechen und für den Nullpunkt von diesen Zeitpunkt zu wählen, da meist für (mindestens) ein Produkt die anfängliche Stoffmenge null ist. Dann ist
bzw. aufgelöst nach [1]
bzw. abgeleitet nach [8]
Die Beispielreaktion
hat die stöchiometrischen Zahlen
und nach einem Umsatz von z. B. mol haben sich die Stoffmengen von H2, N2 und NH3 um 3 und 1 mol verringert bzw. um 2 mol erhöht.
Wird eine Reaktion als kontinuierlicher Prozess durchgeführt, ist die Umsatzvariable eine Größe mit Zeitbezug,[3][5]
Die SI-Einheit von ist mol/s.
Die volumenbezogene Umsatzvariable wird erhalten, indem die extensive Zustandsvariable durch das der Reaktion zur Verfügung stehende Volumen dividiert wird. sind die ist definiert als:[3][5]
Hierbei ist die volumenbezogene Stoffmengenkonzentration eines an der betrachteten Reaktion beteiligten Stoffes . Da seinerseits eine extensive Zustandsgröße ist, muss die volumenbezogene Umsatzvariable eine intensive Größe sein.
Die stoffmengenbezogene Umsatzvariable bezieht sich auf die Gesamtanfangsstoffmenge :[5]
Mit an der betrachteten Reaktion beteiligten Stoffen sind beziehungsweise .
Da seinerseits eine extensive Zustandsgröße ist, muss die stoffmengenbezogene Umsatzvariable eine intensive Größe sein. Teilweise wird die auf die Gesamtanfangsstoffmenge bezogene Umsatzvariable auch durch ein großes Phi mit rechts hochgestelltem Sternchen symbolisiert.[3]
Die massenbezogene Umsatzvariable bezieht sich auf die Gesamtmasse der eingesetzten Reaktanten, die sich wegen des Massenerhaltungssatzes während der Reaktion nicht ändert:[5]
Da seinerseits eine extensive Zustandsgröße ist, muss die massenbezogene Umsatzvariable eine intensive Größe sein. Die Verwendung der massenbezogenen Umsatzvariable wird für Reaktionen mit veränderlichem Reaktionsvolumen empfohlen.[5]
Größe | empfohlenes Formelzeichen | alternativ übliche Formelzeichen | Definition (Batchbetrieb) | Einheit (Batchbetrieb) | Einheit (Fließbetrieb) |
---|---|---|---|---|---|
Umsatzvariable | , X, x | [mol] | [mol/h] | ||
Volumenbezogene Umsatzvariable | , x (auch !) | [mol/l] | [(mol/h)/(l/h)], [mol/l] | ||
Stoffmengenbezogene Umsatzvariable, (stoffmengen)konzentrationsbezogene Umsatzvariable, dimensionslose Umsatzvariable | , | [mol/mol], dimensionslos | [(mol/h)/(mol/h)], dimensionslos | ||
Massenbezogene Umsatzvariable | [mol/g] | [(mol/h)/(g/h)], [mol/g] |
ist die Gesamtmasse pro Volumen, also die Dichte (Massendichte), hier die Anfangsdichte.
Beispielhaft sollen hier die beiden Ausgangsstoffe A und B zum Produkt C reagieren. Derjenige Ausgangsstoff, der zuerst die Stoffmengenkonzentration 0 erreicht, bestimmt das zeitliche Reaktionsende, denn dann stoppt die Reaktion. Dabei sind aber die stöchiometrischen Koeffizienten der betrachteten Ausgangsstoffe zu berücksichtigen. Ein Ausgangsstoff mit stöch. Koeffizient 2 nimmt doppelt so schnell in seiner Konzentration ab wie ein Ausgangsstoff der Koeffizient 1 hat. Daher gilt für die maximal mögliche Umsatzvariable einer einfachen unabhängigen Einzelreaktion[9]:
oder eben mit Volumenbezug als volumenbezogene/modifizierte Umsatzvariable:
Hier ist i also ein Ausgangsstoff. Derjenige Ausgangsstoff, dessen Quotient von Anfangsstoffmenge bzw. Anfangskonzentration geteilt durch seinen stöchiometrischen Faktor das kleinste Ergebnis des Quotienten liefert, bestimmt den Maximalwert der Umsatzvariable. Theoretisch würde dieser Maximalwert – je nach auftretenden Reaktionsgeschwindigkeiten r – eventuell erst nach unendlich langer Zeit erreicht (vollständiger Reaktionsablauf).
Der Reaktionsgrad (degree of reaction)[10] ist das Verhältnis der (zeitlich aktuellen) Umsatzvariable zum theoretischen Maximalwert der Umsatzvariable (je nach vorhandenen Anfangskonzentrationen der Ausgangsstoffe im vorliegenden Anwendungsfall):
bzw. für Gleichgewichtsreaktionen („GG“):
Der Reaktionsgrad ist dimensionslos und nimmt Werte zwischen 0 und 1 an. Die Bezeichnung Reaktionsgrad ist in deutscher Literatur kaum gebräuchlich, für spezielle Reaktionen werden Worte wie Dissoziationsgrad oder Ionisierungsgrad verwendet.[1]
Der Reaktionsgrad spielt eine Rolle bei der Bilanzierung von Gleichgewichtsreaktionen (Hin- und Rückreaktion gemeinsam bilanziert). In älterer Literatur wurde dem Reaktionsgrad auch das Formelzeichen oder (kleines Rho) zugewiesen, was aber nicht empfehlenswert ist, da dieser Buchstabe heute üblicherweise der Dichte (Massendichte) zugeordnet ist.[11]
Liegt eine Gleichgewichtsreaktion vor, so werden die Ausgangsstoffe niemals verbraucht sein, da sie durch die Rückreaktion wieder gebildet werden. Es stellt sich ein Fließgleichgewicht ein, dem konstante Konzentrationen und somit eine Gleichgewichts-Umsatzvariable zugehörig sind.
Bei konstanter Temperatur und konstantem Druck gibt es also einen Reaktionsgrad der Gleichgewichtsreaktion, der mit dem theoretischen Maximalwert der Umsatzvariable (der Hinreaktion) definitionsgemäß verknüpft ist[12]:
Für die Stoffmengenänderung von t=0 bis zur Einstellung des Gleichgewichts gilt auch hier (entsprechend der allgemeinen Definition der Umsatzvariable):
Teilen der Gleichung durch das konstante Volumen (für volumenkonstante Reaktionen) liefert:
Die (theoretisch möglichen) Maximalwerte der Umsatzvariable werden aus den Anfangskonzentrationen der Ausgangsstoffe der Hinreaktion berechnet und betreffen daher die Hinreaktion, die die Produkte bildet.
Für Ausgangsstoffe ist der stöchiometrische Koeffizient als negativer Wert einzusetzen. Die Umstellung der beiden letzten Gleichungen liefert Bilanzgleichungen für Gleichgewichtsreaktionen.
Die Reaktionsgeschwindigkeit r der chemischen Kinetik ist für volumenkonstante Reaktionen definiert als die zeitliche Ableitung der Stoffmenge pro stöchiometrischem Koeffizienten und pro Volumen.[13] Dies entspricht der zeitlichen Ableitung der modifizierten/volumenbezogenen Umsatzvariable :
Aus der oben genannten Definitionsgleichung der chemischen Reaktionsgeschwindigkeit r als differentielle Größe resultiert folgerichtig, dass die Größen Umsatz (X oder U), Ausbeute (A oder P) sowie Umsatzvariable und alle modifizierten Umsatzvariablen integrale Größen sind.
Zu jeder Reaktionsdauer (Zeitdifferenz) gehören also in der Praxis für ein chemisches System bei konstanter Temperatur T und konstantem Druck p ein im Versuch ermittelbarer Konzentrations-Zeit-Verlauf (zeitliche Konzentrationsänderung). Dieser Konzentrationsänderung sind definitionsgemäß Werte für Umsätze, Umsatzvariablen und Ausbeuten (als integrale Werte) zugewiesen.
Eine „Vorab-Berechnung“ des Konzentrations-Zeit-Verlaufes für ein chemisches System wäre nur möglich, wenn zuvor im Versuch der tatsächliche/reale Konzentrationsverlauf bestimmt wurde durch Probenahmen und Konzentrationsmessungen und dazu dann ein geeignetes differentielles Zeitgesetz für die Reaktionsgeschwindigkeit r ausgewählt wurde (statistische Minimierung der Fehlerquadratsumme). Letztlich muss dieses differentielle Zeitgesetz der Chemischen Kinetik ( r=f(c,T,p) ) noch integriert werden um zeitliche Konzentrationsverläufe (und damit auch Umsätze, Ausbeuten und Umsatzvariablen) berechnen zu können.
Die schon genannten Definitionsgleichungen von Umsatzvariable (Fortschreitungsgrad) und insbesondere die der modifizierten Umsatzvariablen, wurden so definiert, dass sie zur Erstellung allgemeingültiger Bilanzgleichungen (für volumenkonstante Reaktionen !) angewendet werden können. Dazu werden teilweise noch die Größen Molare Masse M, Dichte (Massendichte, Gesamtdichte) und Massenkonzentration (Partialdichte) (oder ) mit herangezogen. Außerdem fließt der stöchiometrische Koeffizient des betrachteten Reaktionsteilnehmers i (aus der Reaktionsgleichung) mit in die Gleichungen ein. In den nachfolgend genannten Bilanzgleichungen sind stöchiometrische Koeffizienten von Ausgangsstoffen (Edukte) negativ einzusetzen, die von Produkten aber positiv. Diese Gleichungen beruhen daher auf einer (vorzeichenrichtigen) Addition !
Stoffmengen-Bilanz für Batchbetrieb:
Teilen durch das konstante Volumen V (Anfangsvolumen=Endvolumen) liefert die folgende Bilanzgleichung [14].
Stoffmengenkonzentration-Bilanz für Batchbetrieb:
Massenkonzentration-Bilanz (Partialdichte-Bilanz) für Batchbetrieb:[15]
Hier ist noch darauf hinzuweisen, dass die Massenkonzentration (Partialdichte) des Stoffes i das Produkt aus dessen Stoffmengenkonzentration ci und seiner Molaren Masse Mi ist:
Massenanteil-Bilanz für Batchbetrieb:
Am schwierigsten ist die Herleitung der Stoffmengenanteil-Bilanz, da bei dieser in Zähler und Nenner die modifizierte Umsatzvariable (stoffmengenbezogen, konzentrationsbezogen, einheitslos) einfließt. Bei den anderen Bilanzen war die Größe im Nenner jeweils konstant gewesen (Volumen oder Gesamtmasse). Die Summenstoffmenge in dieser Bilanz verändert sich aber mit der Reaktionsdauer t.
Stoffmengenanteil-Bilanz für Batchbetrieb [16]:
Teilt man nun alle Terme in Zähler und Nenner durch die Anfangs-Summen-Stoffmenge nges,0 so folgt daraus:[17][18]
Wie man sieht hat man es einmal mit der „normalen“ Umsatzvariable und im anderen Falle mit der stoffmengenspezifischen Umsatzvariable in diesen Gleichungen zutun. Letztere ist auf die Summen-Anfangsstoffmenge bezogen (rechter Teil).
Es ist noch möglich den Gleichungsteil mit den Stoffmengen(quotienten) jeweils in Zähler und Nenner der Teilbrüche durch das konstante Volumen zu teilen. Aus Stoffmengen werden so Stoffmengenkonzentrationen. Aus der normalen Umsatzvariable wird nun die volumenbezogene (soweit man auch diesen Teilbruch mit dem Kehrwert des Volumens in Zähler und Nenner erweitert). Es gibt also verschiedene Versionen dieser Gleichung, die alle gleichwertig sind. Der Quotient von Einzelkonzentration ci zur molaren Summenkonzentration cges ist ebenfalls der Stoffmengenanteil:
Zu den Versionen der Stoffmengenanteil-Bilanzgleichung gehört auch:
So wurde also die volumenbezogene Umsatzvariable in die Gleichung eingeführt.
So wie für jede an einer chemischen Reaktion teilnehmende Einzelsubstanz eine eigene Bilanzgleichung aufgestellt werden kann, ist es möglich diese Bilanzen aller Reaktionsteilnehmer zu einer Summenbilanz zusammenzufassen. Dazu werden faktisch die Einzelbilanzen summiert.
Summen-Stoffmengenbilanz für Batchbetrieb:[3]
Teilen durch das konstante Volumen V (volumenkonstante Reaktion !) führt zur Summen-Stoffmengenkonzentration-Bilanz für Batchbetrieb:
Aus den Definitionen von maximaler (theoretischer) Umsatzvariable (der Hinreaktion) und des Reaktionsgrades (der Gleichgewichtsreaktion) lassen sich folgende Bilanzgleichungen durch Substitution und Umstellen der Gleichungen aufstellen[19]:
Teilen der Gleichung durch das konstante Volumen (für volumenkonstante Reaktionen) liefert:
Die Gleichungen beschreiben also nicht Hinreaktion und Rückreaktion einzeln, sondern als Gesamtsystem (Blackbox). Ausgangsstoffe und Produkte können (als i) berechnet werden von t=0 bis zum Zeitpunkt der Gleichgewichtseinstellung. Die stöchiometrischen Koeffizienten der Ausgangsstoffe sind negativ einzusetzen. Die theoretischen Maximalwerte der genutzten Umsatzvariable werden aber aus den Anfangs-Stoffmengen oder Anfangs-Konzentrationen (der Zeit t=0) der Ausgangsstoffe der produktbildenden Hinreaktion berechnet und betreffen daher die Hinreaktion.
Bilanzgleichungen die das Volumen V (oder Stoffmengenkonzentrationen c) enthalten haben nur Gültigkeit für volumenkonstante chemische Reaktionen[20]. Im Batchbetrieb muss also das tatsächliche Reaktionsvolumen (Volumen einer Lösung etc.) konstant sein. Das System ist hier ein geschlossenes. Im Fließbetrieb sind eintretender Volumenstrom und austretender Volumenstrom gleich groß, also konstant. Das System ist ein offenes.
Für den Fall, das die Reaktion nicht volumenkonstant ist, können die anderen Bilanzgleichungen (stoffmengenbezogene Umsatzvariable sowie massenbezogene Umsatzvariable) noch angewendet werden. Da Masse und Massenstrom unveränderlich sind im Batchprozess bzw. Fließprozess ist leicht nachvollziehbar, dass diese Bilanzgleichungen und deren modifizierte Umsatzvariable allgemeine Gültigkeit haben. Hingegen gilt die volumenbezogene Umsatzvariable und deren Gleichung nur für konstantes Volumen oder konstanten Volumenstrom.
Ein für den Lehrbetrieb an Hochschulen der DDR zugelassenes Buch aus dem Jahr 1978 unterschied noch zwischen Fortschreitungsgrad und Umsatzvariable x. Der Fortschreitungsgrad war so definiert, wie heute üblich:
Hingegen wurde der volumenbezogene Fortschreitungsgrad (nach heute üblicher Definition) mit einem kleinen x als Formelzeichen versehen und als „Umsatzvariable“ x betitelt:
Im gleichen Buch wurde das kleine „x“ zusätzlich noch für den Stoffmengenanteil verwendet.[21]
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