Die Einteilung der Lebewesen in Systematiken ist kontinuierlicher Gegenstand der Forschung. So existieren neben- und nacheinander verschiedene systematische Klassifikationen.
Das hier behandelte Taxon ist durch neue Forschungen obsolet geworden oder ist aus anderen Gründen nicht Teil der in der deutschsprachigen Wikipedia dargestellten Systematik.
Die Testa umschließt die Zelle teilweise und weist eine Öffnung (englischaperture) auf, aus der die Scheinfüßchen (Pseudopodien) austreten. Sie bietet der Amöbe Schutz vor Räubern und harschen Umweltbedingungen.
Die Testa ist entweder selbst erzeugt, es kann aber auch Fremdmaterial eingelagert oder aufgebracht sein, das mineralischen Ursprung hat oder von der Beute dieser Amöben stammt.
Testate Amöben finden sich hauptsächlich im Süßwasser, stellenweise auch in feuchten Böden und in Moosen.
Testate Amöben sind stets mit einer Schale (Testa, früher auch Theca genannt) versehen.
Die Schalen sind bei den verschiedenen Kladen im Feinbau unterschiedlich und auch nicht homolog zueinander.[4]
Bei einigen Arten wird die Testa vollständig von der Amöbe produziert und kann je nach Art organisch, kiesel- oder kalkhaltig sein („autogene“ Testa).
In anderen Fällen besteht die Testa aus von der Amöbe gesammelten Sedimentpartikeln besteht, die durch Sekrete aus dem Zellinneren zusammengeklebt werden („xenogene“ Testa).
Einige wenige Gruppen (z.B. die Hyalospheniidae) können beide Arten bilden, je nach den Umständen und der Verfügbarkeit von Fremdmaterial.[5]
Die Testaten Amöben sind eine heterogene (polyphyletische) Gruppe aus mehreren, nicht näher miteinander verwandten Kladen.
Zu den gemeinsamen Merkmalen, anhand derer sie in diese Gruppe klassifiziert werden, gehören jedoch (unabhängig von ihrer Zusammensetzung und Herkunft) das Vorhandensein einer Testa und Pseudopodien, die nicht anastomosieren (d.h. die sich möglicherweise verzweigen, aber in größerer Entfernung nicht wieder zusammenwachsen).[6]
Testate Amöben ernähren sich überwiegend heterotroph.
Sie kommen in den meisten Süßwasserumgebungen vor, darunter in Seen, Flüssen, Cenoten[7] sowie in Mooren und Böden.
Im Boden lebende Vertreter können Dauerstadien (Cysten) bilden, wodurch sie resistent gegenüber Austrocknung sind.
Dank der Widerstandsfähigkeit der Testa kann diese lange nach dem Tod der Amöbe erhalten bleiben.
Die bisher ältesten Amoebozoa-Fossilien sind sog. „vasen-förmige Mikrofossilien“ (Vase-shaped microfossils, VSM). Diese Mikrofossilien erinnern sehr an Testate Amöben und lassen sich mit einiger Wahrscheinlichkeit auf die Hüllen von Vertretern der Arcellinida beziehen.
VSM wurden aus dem Grand Canyon geborgen und stammen mit einem Alter zwischen 736 und 748 Millionen Jahren aus dem Cryogenium (mittleres Neoproterozoikum).
Entgegen früherer Annahmen war die Gruppe bereits vor der Sturtischen Vereisung im Fossilbericht präsent.[2][8][9]
Ihre Eigenschaften sowie die Empfindlichkeit einiger Arten gegenüber Veränderungen der Umweltbedingungen (z.B. Temperatur, pH-Wert und elektrische Leitfähigkeit) haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass sie als Bioindikatoren und Paläoklima-Proxies Verwendung finden.[10]
Die Testaten Amöben bilden eine polyphyletische Gruppe.
Die wichtigsten Kladen (Verwandtschaftsgruppen) der Testat-Amöben sind innerhalb der Amoebozoa die lappigen Tubulinea [syn. Lobosea], zu denen
– unter den Stramenopilen (Heterokonta) einige kleinere Gruppen wie die Amphitremida und die Thraustochytrida/Amphifilida, die auch zu den Testaten Amöben klassifiziert werden.[14]
Diplophrys archeri (aus einem Moortümpel); a, Zellkern; b, kontraktile Vakuolen; c, Öltröpfchen. Illustration von 1911.
Systematik nach Adl etal. (2012)
Die folgende Tabelle enthält einige Beispiele für Testate Amöbengattungen und spiegelt ihre Position innerhalb der Klassifikation von Adl etal. (2012) wider,[14] in der fünf Übergruppen (Amoebozoa, Opisthokonta, Excavata, SAR und Archaeplastida) zur Klassifizierung aller Eukaryoten vorgeschlagen wurden. Bei dieser Klassifizierung wurde bewusst auf die Verwendung von Linnéschen Namen höherer Taxa (Phylum, Klasse (Biologie), Ordnung, Familie) verzichtet. Auch wenn teilweise bemängelt wurde, dass die von Adl etal. für die Kladen vergebenen Namen verwirrend oder wenig informativ (in Bezug auf den Grad der phänotypischen Unterschiedlichkeit zwischen den Gruppen) sein können.[15]
Doch vermeidet dieses System die Schaffung überflüssiger Ränge und bietet stabile Gruppennamen, die auch dann beibehalten werden können, wenn eine Gruppe in eine andere Abstammungslinie verschoben wird, wie dies bei den Protisten häufig der Fall ist, solange ihre Klassifizierung noch in größerem Umfang diskutiert wird.[14]
Weitere Informationen Amoebozoa, SAR Supergruppe ...
Traditionell werden Arten, die große Netze anastomosierender (sich verzweigender und wiedervereinigender) Pseudopodien bilden, nicht zu den Testaten Amöben gezählt, obwohl einige von ihnen Testa haben; dazu gehören die Gattung Gromia und die Foraminifera (beide in der Gruppe der Rhizaria).[6]
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