Selbstverbrennungsvorfall auf dem Tian’anmen-Platz
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Der Selbstverbrennungsvorfall auf dem Tian’anmen-Platz (auch Platz des Himmlischen Friedens genannt) (Traditionelles Chinesisch Kurzzeichen 天安門自焚事件, Hanyu Pinyin Tian'anmén Zìfén Shìjiàn) ereignete sich am Vortag des chinesischen Neujahrsfestes, dem 23. Januar 2001, im Zentrum Pekings. Der Vorfall ist umstritten: Quellen der chinesischen Regierung behaupten, dass sich fünf Anhänger von Falun Gong (auch als Falun Dafa bekannt), eine spirituelle Praxis, die auf dem chinesischen Festland verfolgt wird, auf dem Tian’anmen-Platz verbrannt hätten. Falun-Gong-Quellen bezweifelten die Genauigkeit dieser Schilderungen und wiesen darauf hin, dass Falun Gongs Lehre Gewalt und Selbstmord ausdrücklich verbietet.[1][2] Darüber hinaus stellten mehrere westliche Journalisten und Wissenschaftler fest, dass es Unstimmigkeiten in den Berichten der Regierung gab, was darauf hindeutete, dass die Selbstverbrennungen durch die Regierung inszeniert worden waren, um Falun Gong zu diskreditieren.[3][4][5]
Nach Angaben chinesischer staatlicher Medien war eine Gruppe von sieben Personen aus der Provinz Henan nach Peking gereist und fünf von ihnen steckten sich auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Brand.[6] Eine von ihnen, Liu Chunling, starb unter ungeklärten Umständen direkt auf dem Platz des Himmlischen Friedens; die 12-jährige Liu Siying starb Berichten zufolge mehrere Wochen später im Krankenhaus; drei überlebten. Über den Vorfall wurde in internationalen Medien berichtet. Eine Woche später übertrug der staatliche Fernsehsender China Central Television (CCTV) in der gesamten Volksrepublik China Videomaterial des Vorfalls.[7] In der chinesischen Presse wurde das Ereignis als Beweis gewertet, wie „gefährlich“ Falun Gong sei und dazu genutzt, die Regierungskampagne gegen die Gruppe, also die Verfolgung von Falun Gong zu legitimieren.
Die offizielle Darstellung der Ereignisse wurde jedoch bald unter die Lupe genommen. Zwei Wochen nach dem Selbstverbrennungsvorfall veröffentlichte die Washington Post eine Untersuchung über die Identität der beiden ums Leben gekommenen „Selbstmordopfer“. Dabei stellte sich heraus, dass „niemand je gesehen hatte, dass sie Falun Gong praktizierten.“[3] Weitere Beweise durch Journalisten und internationale Beobachter wiesen darauf hin, dass die chinesischen Behörden bereits im Vorfeld Kenntnisse über die „Selbstverbrennung“ hatten.[4]
Human Rights Watch schrieb, dass der Vorfall, zu „den schwierigsten Geschichten für Reporter in Peking“ gehörte, „über den sie zu der Zeit berichten mussten“, da es an unabhängigen Informationen mangelte.[8] Die „Selbstverbrennungsopfer“ waren nur für die Reporter von Chinas staatlicher Presse zugänglich. Internationale Medien und sogar Familienangehörigen der Opfer wurde der Kontakt mit ihnen verwehrt.[9] Danach tauchte eine große Vielfalt von Meinungen und Interpretationen dessen auf, was vielleicht geschehen sein könnte. Dazu gehörten, dass der Vorfall vielleicht von der Regierung eingerichtet worden war, um Falun Gong zu verleumden;[4] es ein authentischer Protest gewesen sein mag;[10] die Selbstverbrenner „neue oder ungeschulte“ Falun-Gong-Praktizierende gewesen sein könnten;[9] und andere Ansichten.
Die Medienkampagne der staatlichen Propaganda, die dem Ereignis folgte, zerstörte die bis dahin anhaltende öffentliche Sympathie für Falun Gong. Die Time stellte fest, dass viele Chinesen zuvor das Gefühl gehabt hatten, dass Falun Gong keine wirkliche Bedrohung sei, und dass das harte Vorgehen des Staates gegen deren Anhänger zu weit gegangen war. Nach der Selbstverbrennung gewann jedoch die Medienkampagne gegen Falun Gong erheblich an Boden.[11] Plakate, Broschüren und Videos wurden produziert, die die angeblich schädlichen Auswirkungen der Falun-Gong-Praxis in Einzelheiten darstellte, und sogar in Schulen wurde regelmäßig Anti-Falun-Gong-Unterricht abgehalten.[7][12][13] CNN verglich die Propaganda-Initiative der chinesischen Regierung mit vergangenen politischen Bewegungen, wie dem Koreakrieg und der Kulturrevolution.[14] Später, als sich die öffentliche Meinung gegen Falun Gong gestellt hatte, begannen die chinesischen Behörden, die „systematische Anwendung von Gewalt“ zu genehmigen, um Falun Gong zu beseitigen.[15] Im Jahr nach dem Vorfall stiegen Inhaftierung, Folter und Tod der inhaftierten Falun-Gong-Praktizierenden deutlich an.[16]