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Sammlung Alfred & Thekla Hess

Privatsammlung der Moderne Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Als Sammlung Alfred & Thekla Hess bzw. Sammlung Hess wird eine bedeutende Privatsammlung der Moderne bezeichnet, die insbesondere Kunstwerke des deutschen Expressionismus beinhaltete.[1] Die Sammlung wurde durch den deutschen Industriellen Alfred Hess und dessen Ehefrau Thekla Hess nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bis zum Tod des Ehemanns Ende 1931 zusammengestellt und bestand aus mehr als 4000 Werken, Gemälden, Grafiken, Aquarellen, Zeichnungen, Holzschnitten, Lithografien und Plastiken.[2][3][4]

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Bestand

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Das Ehepaar Thekla und Alfred Hess im Sommer 1928

Zur Sammlung zählten u. a. Werke von Umberto Boccioni, Heinrich Campendonk, Marc Chagall, Otto Dix, James Ensor, Lyonel Feininger, Erich Heckel, Wassili Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee, Oskar Kokoschka, Wilhelm Lehmbruck, August Macke, Aristide Maillol, Franz Marc, Otto Mueller, Heinrich Nauen, Emil Nolde, Max Pechstein, Christian Rohlfs und Karl Schmidt-Rottluff.[5] Die Sammlung enthielt u. a. das gesamte druckgraphische Werk Klees und das bis einschließlich 1931 kreierte druckgraphische Werk Feiningers und Lehmbrucks.[1][6]

Als Berater dieser Zusammenstellung von Kunstwerken wirkten nacheinander die Kunsthistoriker und Museumsdirektoren Edwin Redslob, Walter Kaesbach und Herbert Kunze (in chronologischer Reihenfolge),[7] aber auch weitere Berater wie Paul Westheim und Wilhelm Worringer.[8]

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In der Sammlung enthaltene Werke (Auszug)

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Die Tabelle umfasst nur einige bekannte Kunstwerke aus der Sammlung Alfred & Thekla Hess und ist unvollständig. Aus urheberrechtlichen Gründen können hier lediglich bestimmte Gemälde abgebildet werden; zu weiteren wurde extern verlinkt, soweit möglich. Für einige der nicht verlinkten Bilder finden sich online Entsprechungen hinsichtlich ihres Titels oder Motivs. Ob diese mit den Bildern aus der Sammlung identisch oder lediglich ähnlich sind, lässt sich an dieser Stelle nicht klären.

Weitere Informationen Titel, Jahr ...
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Ausstellung in der Villa Hess

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Villa Hess, um 1920

Eine Vielzahl von Werken aus der Sammlung Hess war in der zweigeschossigen Villa Hess in der Richard-Breslau-Straße 14 an der Ecke zur Hohenzollernstraße (heute: Alfred-Hess-Straße) in Erfurt-Brühlervorstadt in stetig wechselnder Folge ausgestellt.[19][20] Die Villa Hess galt daher während der Zeit der Weimarer Republik reichsweit als der zentrale und einzige Ort, an dem man den deutschen Expressionismus in solcher Vielfalt und Menge bewundern und studieren konnte. Davon machten vor allem Studierende der Kunstgeschichte mit ihren Professoren aus umliegenden Hochschulorten, aber auch die zahlreichen Hausgäste des Ehepaars Gebrauch. Der ehemalige Reichskunstwart Edwin Redslob bezeichnete die Sammlung Hess als „die wohl beste Sammlung deutscher Expressionisten, die es je gegeben hat“.[21][22][23]

Nachlass

Haupterbe von Alfred Hess war dessen Ehefrau Thekla, geb. Pauson. Diese lehnte das Erbe jedoch ab, um es dem gemeinsamen einzigen Kind, Hans Hess, schneller zukommen zu lassen.[5][2] In der Folge avancierte sie zur Verwalterin der Kunstsammlung.[24][25]

Nach heutiger Einschätzung durch Kunsthistoriker und Provenienzforscher war die Sammlung Hess bis zur Abtretung der Macht an die Nationalsozialisten weitestgehend erhalten.[5]

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Weltwirtschaftskrise, Zeit des Nationalsozialismus

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Der Kölnische Kunstverein unter Direktor Walter Klug (1873–1952) war während der NS-Zeit Schauplatz von Veruntreuung und Diebstählen eingelagerter Kunstwerke aus der Sammlung Hess durch Mitarbeiter

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurden seitens Thekla Hess einige Teile der Sammlung veräußert, als Leihgabe Galerien und Museen für Ausstellungen im In- und Ausland zur Verfügung gestellt sowie treuhänderisch im In- und Ausland gelagert. Ausweislich eines Gerichtsverfahrens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren einige der Kunstwerke aus der Sammlung Hess während der NS-Zeit durch Mitarbeiter des Kölnischen Kunstvereins gestohlen worden, um sich persönlich zu bereichern, ein Tatbestand, der während des Kölner Kunstfälscherprozesses 1949/50 aufgedeckt wurde.[26][27][28][21][29][1][30]

Thekla Hess hatte einige Kunstwerke zur Kommission an Galerien übergeben, um sie auf diesem Weg zum Verkauf anzubieten. Grund dafür war, dass Mutter und Sohn das unter der Weltwirtschaftskrise leidende Unternehmen Maier & Louis Hess bis 1933 erfolgreich saniert hatten, dafür aber einen Großteil des Vermögens aus dem Erbe des Ehemanns bzw. Vaters eingebüßt hatten. Hans Hess nahm nacheinander gut dotierte Beschäftigungsverhältnisse im Berliner Ullstein-Verlag und nach NS-bedingter Flucht im September 1933 in Paris wahr; er emigrierte 1935 ins Vereinigte Königreich, während seine Mutter Thekla u. a. laufende Kosten für die sichere Verpackung, den Spezialversand etlicher Kunstwerke als Leihgaben für Ausstellungen ins In- und Ausland, Lagerkosten sowie Reisetätigkeit zu tragen hatte. In Großbritannien war Hans Hess zunächst nur gering bezahlt tätig und später als Enemy Alien interniert, teilweise in Kanada.[21][31][32]

Werke aus der Kunstsammlung des Alfred und der Thekla Hess sind während der NS-Zeit auf unterschiedlichen Wegen ins Ausland gelangt, beispielsweise auf Veranlassung von Thekla Hess durch Spedition ins Vereinigte Königreich, wo sie wegen der Ausfuhr- und Devisenbestimmungen und die erhobene Reichsfluchtsteuer zur fiskalischen Ausplünderung der Juden nur durch glückliche Umstände eintrafen, und durch deren Bruder Stefan Pauson (1887–1964).[25][33] Ende 1945 richtete Thekla Hess ein Schreiben an das Ehepaar Julia und Lyonel Feininger, in dem sie mitteilte, dass mehrere Werke von Lyonel Feininger aus der Sammlung in die Vereinigten Staaten gelangt sind.[34]

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Restitution

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Im März 1951 wurden lediglich sechs Werke aus der Sammlung durch den Kölnischen Kunstverein zurückerstattet.[35] Im Rahmen der so genannten Wiedergutmachung stellte Hans Hess ab dem Jahr 1955 mehrere Anträge, in denen er Entschädigungsansprüche für verlorengegangene Gemälde und Grafiken aus der Sammlung des Alfred und der Thekla Hess geltend machte. Während dieser Phase entschlossen sich Thekla Hess und ihr Sohn Hans, den für die Kunstsammlung relevanten und interessantesten Teil des Gästebuches der Villa Hess in Deutschland zu veröffentlichen.[36] Das Wiedergutmachungsverfahren wurde 1961 mit einem Vergleich beendet, der eine Ausgleichs- bzw. Kompensationszahlung in Höhe von 75.000 DM vorsah.[37][38]

Ende 1998 wurde die Washingtoner Erklärung verabschiedet, eine Selbstverpflichtung, der sich die Bundesrepublik Deutschland mit der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ im Jahr 1999 angeschlossen hat. Seit etwa dem Jahr 2000 werden wiederholt Restitutionsansprüche für Kunstwerke aus der ehemaligen Sammlung Hess geltend gemacht, die teils auf dem Kunstmarkt angeboten werden und teils zum Bestand deutscher Museen zählen.[39][37][40][41][42][43][44][45][46][47][48][49][50] Die bislang erfolgten Rückerstattungen sind teilweise umstritten (siehe: Causa Kirchner), in anderen Fällen erfolgten Einigungen.

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Bekannte öffentliche Ausstellungen im In- und Ausland (Auszug)

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Literatur

  • Exhibition of 20th Century German Art. Ausstellungskatalog, New Burlington Galleries, London, United Kingdom, 1938. Nachdruck: König, Köln 1988, ISBN 3-88375-082-4.
  • Hans Hess, Thekla Hess (Hrsg.), Hans Hess (Nachw.): Dank in Farben. Aus dem Gästebuch von Alfred und Thekla Hess (= Piper-Bücherei, 108). Piper, München 1957, 1962, OCLC 15498802. Neuauflage (= Piper Galerie, Band 606), 1977, 1987, 1992, ISBN 3-492-10606-4, OCLC 75270053.
  • Mechtild Lucke: Der Erfurter Sammler und Mäzen Alfred Hess. In: Henrike Junge (Hrsg.): Avantgarde und Publikum – Rezeption avantgardistischer Kunst in Deutschland 1905–1933. Böhlau, Köln 1992. ISBN 3-412-02792-8, S. 149–155.
  • Edwin Redslob: Von Weimar nach Europa. Erlebtes und Durchdachtes. Haude & Spener, West-Berlin 1972. Nachdruck: Glaux Verlag, Jena 1998, ISBN 3-931743-16-0, S. ?.
  • Christina Feilchenfeldt, Peter Romilly: Die Sammlung Alfred Hess – „die wohl beste Sammlung deutscher Expressionisten, die es je gegeben hat“. In: Weltkunst. Zeitschrift für Kunst und Antiquitäten, Band 70, Heft 11 (Oktober 2000), ISSN 0043-261X, S. 1855–1857.
  • Jürgen Lillteicher: Raub, Recht und Restitution – Die Rückerstattung jüdischen Eigentums in der frühen Bundesrepublik. Wallstein Verlag, Göttingen 2007, ISBN 978-3-8353-0134-4, S. ?.
  • Ruth und Eberhard Menzel: Alfred Hess – Schuhfabrikant, Kunstsammler und Mäzen. Sutton Verlag, Erfurt 2008, ISBN 978-3-86680-288-9.
  • Steffen Raßloff: Bürgerkrieg und Goldene Zwanziger – Erfurt in der Weimarer Republik. Sutton Verlag, Erfurt 2008, ISBN 978-3-86680-338-1, S. ?.
  • Christian Weikop (Hrsg.): Bridging History – New Perspectives on Brücke Expressionism. Routledge, London / New York 2011, ISBN 978-1-4094-1203-8, S. ?.
  • Gunnar Schnabel, Monika Tatzkow: Alfred (1879–1931), Thekla Hess (1884–1968) und Hans Hess (1908–1975), Erfurt. In: Melissa Müller, Monika Tatzkow: Verlorene Bilder, verlorene Leben – Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde. Sandmann, München 2009, ISBN 978-3-938045-30-5, S. 45f.
  • Ludwig von Pufendorf (Hrsg.): Erworben. Besessen. Vertan. Dokumentation zur Restitution von Ernst Ludwig Kirchners Berliner Straßenszene. Fördererkreis Brücke-Museum. Kerber Verlag, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-7356-0488-0.
  • Kai Artinger: Der „Fall Hess“. Schwierige Entscheidungen. In: Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (Hrsg.): Provenienzforschung in deutschen Sammlungen. Berlin 2019, S. 273–280.
  • Anna Heckötter: Emil Nolde und die Sammlung Hess. In: Emil Nolde in seiner Zeit. Im Nationalsozialismus. Prestel, München 2019, ISBN 978-3-7913-5922-9, S. 126–141.
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Medien

Hörfunk

Fernsehen

  • Familie Hess, Fernsehbeitrag des Bayerischen Rundfunks vom 8. Februar 2024, 9:43 Minuten. In: ARD-Mediathek, auf: ardmediathek.de
Commons: Sammlung Alfred & Thekla Hess – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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