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Richtlinie der Europäischen Union zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ist eine Naturschutz-Richtlinie der Europäischen Union (EU). Sie wird umgangssprachlich auch als Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, manchmal auch Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (kurz FFH-Richtlinie) oder Habitatrichtlinie bezeichnet.[1] Diese Alternativbezeichnungen leiten sich von Fauna (Tiere), Flora (Pflanzen) und Habitat (Lebensraum) bzw. dem englischen Titel der Richtlinie ab (Council Directive on the conservation of natural habitats and of wild fauna and flora).[2]
Richtlinie 92/43/EWG | |
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Titel: | Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen |
Bezeichnung: (nicht amtlich) | Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie FFH-Richtlinie |
Geltungsbereich: | Europäische Union |
Rechtsmaterie: | Umweltrecht |
Grundlage: | EWGV, insbesondere Artikel 130s |
Verfahrensübersicht: | Europäische Kommission Europäisches Parlament IPEX Wiki |
Anzuwenden ab: | 10. Juni 1992 |
Letzte Änderung durch: | 13. Mai 2013 (mit Wirkung zum 1. Juli 2013) |
In nationales Recht umzusetzen bis: |
10. Juni 1994 |
Umgesetzt durch: | Umsetzungsübersicht |
Fundstelle: | ABl. L 206 vom 22. Juli 1992, S. 7–50 |
Volltext | Konsolidierte Fassung (nicht amtlich) Grundfassung |
Regelung muss in nationales Recht umgesetzt worden sein. | |
Hinweis zur geltenden Fassung von Rechtsakten der Europäischen Union |
Im Jahr 1992 wurde die Richtlinie von den damaligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union einstimmig verabschiedet. Sie dient gemeinsam mit der Vogelschutzrichtlinie im Wesentlichen der Umsetzung der Berner Konvention. Eines ihrer wesentlichen Instrumente ist ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten, das Natura 2000 genannt wird. Die Gebiete, die zum Schutz der in den Anhängen der FFH-Richtlinie genannten seltenen oder bedrohten Arten und Lebensräume (Habitate) von gemeinsamem Interesse ausgewiesen wurden, werden kurz FFH-Gebiete genannt. Als Besonderes Erhaltungsgebiet (BEG, englisch Special Area of Conservation SAC) werden die vollständig unter Schutz gestellten Gebiete bezeichnet. Die Kandidaten (bis zur nationalen Umsetzung) werden als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB, Site of Community Importance SCI) bezeichnet.
Die Entwicklung der FFH-Richtlinie wurde vom Rat der Europäischen Union 1988 unter deutschem Vorsitz am 27./28. Juni 1988 in Hannover beschlossen. Sie trat nach vierjährigen Beratungen in den Mitgliedstaaten durch einstimmigen Beschluss im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Parlament 1992 in Kraft. Die Richtlinie hat zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume und die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen. Die Vernetzung dient der Bewahrung, (Wieder-)Herstellung und Entwicklung ökologischer Wechselbeziehungen sowie der Förderung natürlicher Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse. Sie ist damit das zentrale Rechtsinstrument der Europäischen Union, um die von den Mitgliedstaaten ebenfalls 1992 eingegangenen Verpflichtungen zum Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversitätskonvention, CBD, Rio 1992) umzusetzen.
Wie die EG-Vogelschutzrichtlinie von 1979 hat auch die FFH-Richtlinie zwei wesentliche Säulen:
Eine der zentralen Säulen beider Richtlinien ist die Schaffung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Dieses besteht aus Gebieten, die einen ausreichenden Anteil der natürlichen Lebensraumtypen sowie der Habitate der Arten von gemeinschaftlichem Interesse umfassen. So soll die Erhaltung bzw. die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes dieser natürlichen Lebensraumtypen und Habitate der Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleistet werden.
Besondere Bedeutung kommt prioritären Lebensraumtypen und Arten zu. Diese sind vom Verschwinden bedroht, und für deren Erhaltung hat die Europäische Gemeinschaft eine besondere Verantwortung, weil der Verbreitungsschwerpunkt in Europa liegt (Beispiele: LRT 91D0* Moorwälder oder der Alpenbock). Das Netz „Natura 2000“ umfasst auch die von den Mitgliedstaaten aufgrund der Richtlinie 79/409/EWG (Vogelschutzrichtlinie) ausgewiesenen besonderen Schutzgebiete.
Die zweite Säule sind Artenschutzregelungen für solche europaweit gefährdete Arten (Anhang IV), die nicht in fest umgrenzten Gebieten geschützt werden können, da sie unter bestimmten Umweltbedingungen großräumig vorkommen können. Einige bekannte Beispiele sind die Wildkatze (in Wäldern) und der Feldhamster.
Im Anhang V sind Arten gelistet, deren Entnahme aus der Natur und Nutzung Gegenstand von Verwaltungsmaßnahmen sein kann (Anhang-V-Arten).
In Artikel 8 der FFH-Richtlinie haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die finanziellen Mittel zur Umsetzung der Richtlinie zu ermitteln und bereitzustellen, etwa für Landnutzer, die gegebenenfalls zur Erreichung der Schutzziele Bewirtschaftungsauflagen auf ihren Flächen umsetzen müssen.
Die Anhänge der FFH-Richtlinie wurden zwischen 1988 und 1992 beraten und anhand der Arten und Lebensräume der EU-Mitgliedstaaten erstellt. Ein Vorbild war die Berner Konvention des Europarates von 1979. Die Anhänge werden bei Bedarf an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst, was etwa im Vorfeld des Beitrittes neuer Mitgliedstaaten erfolgen kann.
2015 wurde bekannt,[3] dass die Europäische Kommission die FFH-Richtlinie einem „Fitness-Check“ unterziehen will.[4] Kommissionspräsident Juncker wolle die Richtlinie nach Medienberichten „modernisieren“, was Kritik von Natur- und Umweltschützern nach sich zog.[5] Ein vom WWF Deutschland beauftragtes Rechtsgutachten erkannte eine Gefährdung von 27.000 Naturschutzgebieten durch die Änderung.[6]
Besondere Schutzgebiete nach der FFH-Richtlinie werden auf der Basis „Natürlicher Lebensräume von gemeinschaftlichem Interesse“ (Anhang I der FFH-Richtlinie) beziehungsweise „Arten von gemeinschaftlichem Interesse“ (Anhang II der FFH-Richtlinie) nominiert.
Von den Mitgliedstaaten wurden Vorschläge für FFH-Gebiete, englisch Proposed Sites of Community Importance (pSCI) genannt, an die Europäische Kommission gemeldet, welche die Daten sichtet und bewertet. In Abstimmung mit den Mitgliedstaaten wurde eine Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (GGB), Sites of Community Importance (SCI) erstellt. Eine erstmalige Veröffentlichung dieser Liste erfolgte im Amtsblatt der EU im Jahr 2004. Die Mitgliedstaaten sind seither verpflichtet, diese Gebiete innerhalb von sechs Jahren als Besondere Erhaltungsgebiete (BEG), Special Areas of Conservation (SAC) endgültig unter Schutz zu stellen. Diesen Status gibt es bei den Europäischen Vogelschutzgebieten (BSG/SPA) nicht, diese sind per Verlautbarung direkt gültig.
Die Ausweisung durch die Europäische Kommission stellt aber noch keine eigene rechtswirksame Schutzkategorie dar, vielmehr stellen die Mitgliedstaaten diese Flächen nach ihren jeweiligen nationalen Regelungen und unter ihren nationalen Bezeichnungen unter Schutz. Dabei haben einige Staaten die Natura-2000-Gebiete auch als nationale rechtliche Klasse verankert, sonst bettet man den europäischen Schutz auch in andere nationale Kategorien ein.
Bei der Ausführung der Bestimmungen dieser Richtlinie gehen die Mitgliedstaaten wie folgt vor:[7]
Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten der Bezugnahme.
Neben der Sammlung von Bestandsdaten und dem Ausführen von Verträglichkeitsprüfungen sind Maßnahmen zum Schutz und zur Erhaltung von FFH-Gebieten zu planen und umzusetzen. Zu diesem Zweck können Managementpläne (in der Richtlinie auch Bewirtschaftungspläne genannt) ausgearbeitet werden (Art. 6 Abs. 1 der FFH-Richtlinie), auf deren Grundlage Maßnahmen zur Erhaltung und Optimierung von Schutzgebieten durchgeführt werden können. Des Weiteren kann im Rahmen der Managementplanung geprüft werden, ob gewisse Maßnahmen positive oder negative Auswirkung haben könnten.[8] Der aufgestellte Plan ist für die Naturschutzbehörden verbindlich und setzt ihnen klare Schutz- und Erhaltungsziele.
In den Anhängen IV und V der Richtlinie sind Arten aufgelistet, die besonderen Schutz auch außerhalb der ausgewiesenen Schutzgebiete erhalten sollen (Anhang IV) oder die durch Ernte oder Entnahme aus ihren Wildvorkommen gefährdet sind (Anhang V).[9] Hintergrund ist, dass diese Arten durch die Ausweisung von Schutzgebieten nicht effektiv schützbar wären, z. B. wegen verstreuter, an jedem bestimmten Ort unbeständiger Vorkommen, spezieller oder besonders großräumiger Habitatansprüche, Abhängigkeit von besonderen Landnutzungspraktiken u. ä. Die Arten des Anhangs IV haben in der Umsetzung der Richtlinie besonderes Gewicht. Nach dem Wortlaut dürfen ihre „Lebensstätten“ nicht beeinträchtigt oder zerstört werden – völlig unabhängig davon, wo sie sich befinden. Die durch besondere Schutzgebiete zu schützenden Arten besitzen hingegen (wenn ein ausreichendes Netz von zusammenhängenden Schutzgebieten erst ausgewiesen und damit ihr Erhaltungszustand gesichert ist) außerhalb dieser Schutzgebiete keinen erhöhten Schutz. In der Praxis ist damit die Umsetzung von Bauvorhaben und anderen Eingriffen auf Flächen, die Lebensstätten von Anhang-IV-Arten sind, ganz erheblich erschwert. Zerstörungen von Lebensstätten, die eine lokale Population bedrohen würden, sind eigentlich nur noch denkbar, wenn spezielle artenschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen (sog. CEF-Maßnahmen) durchgeführt werden. Im Unterschied zu „normalen“ Kompensationsmaßnahmen (aufgrund der Eingriffsregelung) ist hier a) der Nachweis des Erfolgs notwendig (nicht nur Prognose!) b) sind die Maßnahmen vor dem Eingriff/der Baumaßnahme durchzuführen und müssen vor dem Eingriff wirksam sein.
Mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) 1998 wurde die FFH-Richtlinie im Abschnitt 2 §§ 19a bis 19f (Europäisches Netz „Natura 2000“) sowie im Artenschutz in Deutschland juristisch verankert.[10] Dies geschah mit langjähriger Verzögerung und nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) gegen Deutschland im Dezember 1997, der die damalige Umweltministerin Angela Merkel zum Handeln zwang. Zuletzt wurde Deutschland deswegen am 10. Januar 2006 vom EuGH verurteilt.[11]
Im Jahr 2015 begann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, da viele der Gebiete noch nicht nach nationalem Rechte geschützt und somit in den Status eines besonderen Erhaltungsgebiets erhoben wurden. Als sich der Zustand nicht ausreichend besserte, verklagte die EU-Kommission Deutschland im Februar 2021 vor dem Europäischen Gerichtshof. Dieser entschied im September 2023, dass Deutschland seinen Verpflichtungen nicht rechtzeitig nachgekommen sei.[12][13][14]
In Anhang IV gelistete Arten sind „streng geschützte“ Arten im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes,[15] haben also gegenüber bloß besonders geschützten Arten einen höheren, schärferen Schutzstatus.
Regelungen der FFH-RL zum Schutz bestimmter Landschaftsteile sind durch § 31 BNatSchG sowie im Strafrecht in § 329 Abs. 4 Strafgesetzbuch umgesetzt.
Deutschland:
Deutschland
Österreich
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