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Häftlingsorchester im KZ Auschwitz-Birkenau Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Das Mädchenorchester von Auschwitz war ein Häftlingsorchester im KZ Auschwitz-Birkenau. Das Orchester wurde auf Befehl der SS von der polnischen Musiklehrerin Zofia Czajkowska im Juni 1943 zusammengestellt. Bereits ab Januar 1941 hatte es verschiedene Männerorchester von Auschwitz gegeben.
Die Mitglieder waren weibliche Häftlinge, die durch die Aufnahme ins Orchester vor der Vernichtung durch Arbeit und vor dem Tod in den Gaskammern bewahrt wurden. Dirigentin des Orchesters war von August 1943 bis zu ihrem Tod im April 1944 Alma Rosé, die Nichte des Komponisten Gustav Mahler. Die brutale und musikliebende SS-Oberaufseherin Maria Mandl, seit Oktober 1942 inoffizielle Leiterin des Frauenlagers Auschwitz-Birkenau, war eine Befürworterin des Orchesters. Sie unterstützte die Errichtung einer besonderen Baracke (Lagerabschnitt B I b in unmittelbarer Nähe des Stacheldrahtzaunes) für die Musikerinnen. Der Block trug die Nummer 12, ab Herbst 1943 Nummer 7. In der Baracke gab es einen mit Holzdielen ausgelegten Boden und einen Ofen, um die Musikinstrumente vor Feuchtigkeit zu schützen. Josef Kramer, seit Mai 1944 Lagerkommandant, wollte vor allem, dass die Arbeitskommandos im Gleichschritt marschierten, begleitet vom Mädchenorchester. Auch wirkte ein Orchester gut, wenn SS-Größen das Lager besichtigten.
Die Musikerinnen mussten immer wieder auch Privatkonzerte geben. So ließ beispielsweise Josef Mengele, ein Liebhaber klassischer Musik, sich öfter vorspielen. Anita Lasker-Wallfisch, eine Cellistin, musste Mengele regelmäßig Schumanns Träumerei vortragen, da er dieses Stück so gerne hörte. Für Maria Mandl musste die Sängerin Fania Fénelon manchmal mitten in der Nacht „Madame Butterfly“[1] singen.[2] Zum Repertoire des Orchesters gehörten außer den zahlreichen Märschen zum Ausmarsch der Gefangenen auch Operettenmelodien (z. B. „Zum weißen Rößl am Wolfgangsee“), die Zigeunerweisen von Sarasate,[3] und sogar der 1. Satz von Beethovens 5. Sinfonie oder der 1. Satz aus Mendelssohns berühmtem Violinkonzert mit Alma Rosé als Solistin. Einige Stücke mussten extra für die ungewöhnliche Besetzung des Orchesters (u. a. mit Mandolinen, Gitarren und Akkordeon) von Fania Fénelon arrangiert werden; diese berichtete außerdem, dass die Nazis bei Konzerten Applaus höchstens andeuteten.[4]
An einem Sonntag musste das Orchester gemeinsam mit einem Liliputzirkus auftreten. Die Kleinwüchsigen vertrauten dem SS-Arzt, der mit ihnen scherzte und sie danach selbst in die Gaskammer führte.[5] Auch Kramer bestand auf Sonderveranstaltungen. Fania Fénelon schilderte solch eine Situation, als eine Läuferin erregt die Tür aufstieß und rief:
„Achtung! Mädchen, schnell! Herr Kommandant Kramer kommt! Eingefroren in ein eindrucksvolles Stillgestanden erwarten wir Kramer. Er tritt ein, begleitet von zwei SS-Offizieren… Er geht auf die für diesen Zweck aufgestellten Stühle zu, setzt sich, nimmt die Schirmmütze ab und legt sie neben sich hin… Immer noch Stillgestanden, wie es sich gehört, wenn man mit einem Offizier spricht, fragt Alma ängstlich: ‚Was möchte der Herr Lagerführer hören? – Die Träumerei von Schumann.‘ Und sehr gefühlvoll fügt er hinzu: ‚Das ist ein bewundernswertes Stück, das geht ans Herz.‘… Entspannt hebt der Lagerführer seinen Kopf und teilt mit: ‚Wie schön, wie erregend!‘“
Das Orchester musste auch im Krankenrevier ein Konzert für Frauen geben, die noch am selben Tag vergast werden sollten – beide Seiten, sowohl die Musikerinnen, als auch das Publikum waren sich dessen bewusst und Fénelon empfand dies als eines ihrer schrecklichsten Erlebnisse im KZ.[6]
Die Musikerinnen litten erheblich darunter, unter solchen Umständen und in solch einer Umgebung der von ihnen geliebten Passion, der Musik, nachgehen zu müssen. Viele blieben zeitlebens traumatisiert. Z. B. litt Zofia Cykowiak unter Angstzuständen, war apathisch und konnte nach Kriegsende nie mehr ihr erlerntes Instrument spielen. Andere Musikerinnen berichteten nach dem Krieg, dass sie sich während ihrer Zeit im KZ in Traumwelten hineinbegaben, um die Grausamkeiten ertragen zu können. Yvette Assael fing bei der Ankunft neuer Transporte an zu weinen, was sie der Gefahr aussetzte, aus dem Orchester ausgeschlossen zu werden, da Weinen von der SS verboten war.[7] Immer wieder erkrankten viele Musikerinnen an Durchfall, Tuberkulose, Fleckfieber, Typhus, Diphtherie, Malaria etc. Wenn die Krankheit nicht sehr ansteckend war, wurde die Kranke nicht in den Häftlings-Krankenbau verlegt. Wurde doch eine Musikerin in den Krankenbau eingeliefert, blieb sie von den Selektionen der SS meist verschont.
Die Geschichte des Orchesters wurde in Romanen, Dokumentationen und Filmen sowie einer Oper verarbeitet.
Das Orchester spielte am Tor, wenn die Arbeitskolonnen aus- und einmarschierten. Im Sommer rückten die Arbeitskolonnen zwischen 5 und 6 Uhr aus und kamen gegen 20 Uhr zurück. Im Winter marschierten sie zwischen 7 und 8 Uhr aus und kamen gegen 17 Uhr zurück.
An Sonntagen wurden an verschiedenen Orten Konzerte für die SS-Mannschaften gegeben.
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