vorgeschichtlicher Ritualort in der Stadt Barby, Sachsen-Anhalt, Deutschland Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Kreisgrabenanlage von Pömmelte in Zackmünde, einem Ortsteil der Stadt Barby im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt, ist ein für Riten genutzter Ort, der auf das Ende des 3.Jahrtausends v.Chr. datiert wird. Sie wurde ebenso wie die Kreisgrabenanlage von Schönebeck (im Salzlandkreis) durch Flugprospektion 1991 entdeckt.[1] 2005/2006 fanden geomagnetische Untersuchungen statt, die die Luftbildstrukturen bestätigten und weitere Ringanlagen, eine kleinere Kreisgrabenanlage, die von der großen überlagert wird, sowie eine Reihe von Gruben erbrachten. Die Kreisgrabenanlage Pömmelte-Zackmünde ist ein komplexer Ritualort, an dem vielfältige religiöse Handlungen ausgeübt wurden. Seit Dezember 2015 trägt die Anlage den Namen Ringheiligtum Pömmelte.[2]
Die Gesamtanlage hat einen Durchmesser von etwa 115Meter, der innenliegende Kreisgraben einen Durchmesser von etwa 80Meter. Der Kreisgraben stellte einen Kultplatz vom Ende des 3.Jahrtausends vor Christus dar, der bereits als „Klein-Stonehenge“ bezeichnet wird, da die Bauwerke aus der gleichen Epoche stammen.
Die siebenteilige Anlage setzt sich wie folgt zusammen:
ein äußerer Pfostenring (1), partiell mit Gräben umgeben
ein Ringgraben (2), der aus einzelnen Gruben bestand
vor diesem Graben befand sich ein äußerer Wall (3), der nur durch Einrieselung im Graben nachgewiesen werden konnte.
im Inneren des Kreisgrabens standen zwei Pfostenkränze (6+7).
Der Kreisgraben verfügt in regelmäßigem Abstand über vier Durchlässe. Die benachbarte Palisadenreihe verkleinert diese Durchlässe beträchtlich, so dass beide nicht gleichzeitig existiert haben müssen, wie auch die Anlage insgesamt mehrphasig ist.
360°-Panorama im Zentrum des Ringheiligtums.
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Im Kreisgraben fanden sich unregelmäßig verteilt so genannte Schachtgruben, die vermutlich einen röhren- oder zylinderförmigen Innenausbau aufwiesen, der möglicherweise aus Korbgeflecht bestand. In der Regel wurden die Schachtgruben bald nach ihrem Ausheben, nachdem man im Rahmen ritueller Handlungen Gegenstände in ihnen deponiert hatte, verfüllt. Am Grund der Gruben fanden sich vor allem anscheinend vollständig darin verbrachte Keramikgefäße aus der Übergangszeit des Neolithikums zur Bronzezeit. Zu den gefundenen Gegenständen zählen Steinbeile und Tierknochen sowie menschliche Knochen. In einer Grube wurden zwei menschliche Schädel entdeckt. Nachdeponierungen auf der Höhe des Kreisgrabens sprechen für eine längere bzw. mehrmalige Nutzung der Schachtgruben. In der Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde fanden über einen längeren Zeitraum Rituale statt, die die Deponierung menschlicher Körperteile, vor allem von Schädeln, aber auch von Nahrung und Werkzeugen beinhalteten. Verschiedene dokumentierte Brandschichten deuten darauf hin, dass Feuer bei den Ritualen eine Rolle spielte. Eine Reihe von Bestattungen steht in engem zeitlichen und räumlichen Bezug zur Kreisgrabenanlage, die neben den rituellen Deponierungen offenbar auch dem Totenkult diente.
Die zeitliche Abfolge konnte wie folgt rekonstruiert werden:
Nach Aushebung des Kreisgrabens wurden erste Schachtgruben angelegt und in ihnen Deponierungen vorgenommen. Danach kam es, zum Teil natürlich bedingt, zu einem Erdeintrag in die Grabenstruktur. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden neue Schachtgruben ausgehoben und für Deponierungen benutzt. Schließlich kam es zur Verfüllung des Kreisgrabens. Die oberirdisch sichtbare Ringstruktur wurde eingeebnet, teilweise durch absichtliche Feuerlegung. In einer Pfostengrube fanden sich vier Steinbeile, die hier nach dem Entfernen des Pfostens und der Aufgabe der Anlage als Opfergabe deponiert wurden. Doch kam es auch später noch zum Ausheben und Verfüllen einzelner Gruben.
Ähnlich wie für die Himmelsscheibe von Nebra und Goseck ist auch für Pömmelte-Zackmünde eine astronomische Komponente belegt. Hier korrespondieren zwei der Zugänge mit Auf- und Untergängen der Sonne zu überlieferten Jahresfesten. Die Struktur mit Wall und Segmentgraben ordnet die Kreisgrabenanlage den „Henge-Monumenten“ zu. Diese sind zwischen der Mitte des 3. Jahrtausends und der Mitte des 2. Jahrtausends v.Chr. in Teilen Europas verbreitet. Pömmelte ist grundsätzlich vergleichbar mit den englischen Henge-Monumenten, Woodhenge und Durrington Walls, die zum Teil in die gleiche Zeit gehören. Derartige Anlagen legen über kulturübergreifende Kulturpraktiken und Glaubensvorstellungen am Ende der Jungsteinzeit und der frühen Bronzezeit Zeugnis ab. Pömmelte-Zackmünde stellt aufgrund der in außergewöhnlicher Weise dokumentierten religiösen Praxis, vor allem in den Schachtgruben, einen Schlüssel zum Verständnis des Phänomens dar. Die Schachtgruben von Pömmelte sind bisher einzigartig und finden auf dem europäischen Kontinent ihre nächsten Parallelen erst in viel späterer Zeit in den so genannten Kultschächten der späten Bronze- und frühen Eisenzeit.
Die Funde belegen, dass Pömmelte über Jahrhunderte einen Zentralort für verschiedene archäologische Kulturen darstellte. Die Keramik aus Pömmelte-Zackmünde gehört zur schnurkeramischen Kultur (2800–2100 v.Chr.), zur Glockenbecherkultur (2500–2200 v.Chr.) des ausgehenden Neolithikums und zur Aunjetitzer Kultur (2200–1600 v.Chr.) der frühen Bronzezeit. Der schnurkeramische Anteil ist gering, die Anlage wurde aber bestimmt von den Trägern der Glockenbecher- und der Aunjetitzer Kultur genutzt. Teilweise kommen typische Gefäßformen beider Kulturen vergesellschaftet in den gleichen Gruben vor. Zudem wurden Gefäße gefunden, die sowohl der ausgehenden Glockenbecherkultur, als auch der beginnenden Aunjetitzer Kultur zugerechnet werden können. Der so genannte protoaunjetitzer Horizont bezeichnet das Nachleben spätneolithischer Elemente in der Orientierungsphase der frühen BronzezeitMitteldeutschlands. Absolute Datierungen grenzen die zeitliche Einordnung auf 2335–2050 v.Chr. ein, wobei ein zielgerichteter Abbau der Anlage zwischen 2135 und 1985 v.Chr. stattfand, wie kalibrierte 14C-Daten belegen.
Das rituelle Interagieren unterschiedlicher Kulturen bestätigt eine Theorie, die besagt, dass alle Ackerbauern gemeinsame religiöse Wurzeln besitzen.[4] Erstmals liegt mit der Anlage von Pömmelte-Zackmünde ein rituell-religiöses Bauwerk der Schnurkeramik- und Glockenbecherkulturen und der Aunjetitzer Kultur in Mitteleuropa vor, die Rückschlüsse auf das Weltbild und die Glaubenswelt dieser für die weitere Entwicklung Europas so entscheidenden Epoche zulässt. Die Kreisgrabenanlage von Schönebeck hat dieselben Ausmaße und folgt Pömmelte-Zackmünde zeitlich direkt nach, das heißt, sie gehört in die entwickelte Aunjetitzer Kultur der frühen Bronzezeit, in der auch die Himmelsscheibe von Nebra entstand.
Bei Schönebeck südlich von Magdeburg wurde eine frühbronzezeitliche Kreisgrabenanlage entdeckt. Das vorgeschichtliche Heiligtum liegt in Sichtweite der Anlage von Pömmelte. Die Archäologen gehen davon aus, dass es sich um den direkten Nachfolger des Kultplatzes von Pömmelte handelt.
Einige der Funde sind seit Anfang September 2016 im Salzlandmuseum zu sehen. Dort wird von den ersten Funden um Pömmelte bis zur Ausgrabung und Rekonstruktion die Geschichte des Ringheiligtums erzählt.
Ein Rekonstruktionsversuch der Anlage wurde 2016 eingeweiht.[5] Für den Bau wurde Robinienholz verwendet.[6][7]
François Bertemes: Die Sonne und ihre Bedeutung im religiös-mythologischen Kontext der Urgeschichte Mitteleuropas. In: Andrea Bärnreuther (Hrsg.): Die Sonne. Brennpunkt der Kulturen der Welt. Minerva, München 2009, ISBN 978-3-938832-49-3, S. 94–126.
François Bertemes: Das Ringheiligtum von Pömmelte – Kreise für die Ewigkeit. In: Harald Meller, Michael Schefzik (Hrsg.): Die Welt der Himmelsscheibe von Nebra – Neue Horizonte. Begleitband zur Sonderausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale), 4. Juni 2021 bis 9. Januar 2022. wbg Theiss, Darmstadt 2020, ISBN 978-3-8062-4223-2, S. 130–135.
François Bertemes, Andreas Northe: Neolithisches Heiligtum in prähistorischer Kulturlandschaft – die Abschlussuntersuchungen in der Kreisgrabenanlage von Goseck und weitere Grabungen in deren Umgebung. In: Archäologie in Sachsen-Anhalt. N. F., Band 4, Nr. 2, 2006, ISSN1610-6148, S. 269–281.
François Bertemes, André Spatzier: Pömmelte – ein mitteldeutsches Henge-Monument aus Holz. In: Archäologie in Deutschland. Nr. 6, 2008, S. 6–11 (Online).
Dovydas Jurkėnas, André Spatzier: Siedlungen des Endneolithikums und der Frühbronzezeit bei den Rondellen Pömmelte und Schönebeck, Salzlandkreis. Einblicke in die Besiedlung einer Sakrallandschaft des 3. und beginnenden 2. Jahrtausends v. Chr. In: Harald Meller, Susanne Friederich, Mario Küßner, Harald Stäuble, Roberto Risch (Hrsg.): Siedlungsarchäologie des Endneolithikums und der frühen Bronzezeit. 11. Mitteldeutscher Archäologentag vom 18. bis 20. Oktober 2018 in Halle (Saale). = Late Neolithic and Early Bronze Age Settlement Archeology. 11th Archaeological Conference of Central Germany, October 18–20, 2018 in Halle (Saale) (= Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 20/I). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2019, ISBN 978-3-944507-94-1, S. 289–317 (Online).
Harald Meller, François Bertemes (Hrsg.): Mensch und Umwelt im Ringheiligtum von Pömmelte-Zackmünde, Salzlandkreis (= Forschungsberichte des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 10/III). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2019, ISBN 978-3-944507-89-7.
Harald Meller, Matthias Zirm: Neueste Ergebnisse am Ringheiligtum von Pömmelte, Salzlandkreis (Grabungskampagne 2019). In: Harald Meller, Susanne Friederich, Mario Küßner, Harald Stäuble, Roberto Risch (Hrsg.): Siedlungsarchäologie des Endneolithikums und der frühen Bronzezeit. 11. Mitteldeutscher Archäologentag vom 18. bis 20. Oktober 2018 in Halle (Saale). = Late Neolithic and Early Bronze Age Settlement Archeology. 11th Archaeological Conference of Central Germany, October 18–20, 2018 in Halle (Saale) (= Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 20/I). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2019, ISBN 978-3-944507-94-1, S. 319–324 (Online).
André Spatzier: Die Kreisgrabenanlage vom Henge-Typ von Pömmelte-Zackmünde, Salzlandkreis – Vorbericht zu den Grabungen 2005/2006. In: Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte. Band 91, 2007, S. 31–66 (Online).
André Spatzier: Nach Bandkeramik und Lengyel – Kreisgrabenanlagen in Sachsen-Anhalt und Mitteleuropa vom Jungneolithikum bis zur frühen Eisenzeit. In: François Bertemes, Harald Meller (Hrsg.): Neolithische Kreisgrabenanlagen in Europa. Internationale Arbeitstagung in Goseck (Sachsen-Anhalt) 7.–9. Mai 2004 (= Tagungen des Landsmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 8). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2012, ISBN 978-3-939414-33-9, S. 363–388 (Online).
André Spatzier: Systematische Untersuchungen der Kreisgrabenanlage von Pömmelte-Zackmünde, Salzlandkreis. Zum Abschluss der Grabungen an mitteldeutschen Rondellen im Rahmen der Forschergruppe FOR:550. In: Harald Meller (Hrsg.): Zusammengegraben – Kooperationsprojekte in Sachsen-Anhalt. Tagung vom 17. bis 20. Mai 2009 im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) (= Archäologie in Sachsen-Anhalt. Sonderband 13). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2012, ISBN 978-3-939414-63-6, S. 89–98 (Online).
André Spatzier: Pömmelte-Zackmünde – Ein henge-artiges Heiligtum des ausgehenden Endneolithikums und der frühesten Frühbronzezeit. In: Jutta Kneisel, Hans Joachim Behnke, Franz Schopper (Hrsg.): Frühbronzezeit – Mittelbronzezeit. Neue Erkenntnisse zur Besiedlung zwischen Elbe und Warthe und angrenzender Regionen (2000–1400 v. Chr.). Symposium vom 24.–25. September 2011 in Welzow/Brandenburg (= Studien zur Archäologie in Ostmitteleuropa. Band 10). Habelt, Bonn 2013, ISBN 978-3-7749-3849-6, S. 187–195.
André Spatzier: Pömmelte-Zackmünde – Polykultureller Sakralort oder Ortskonstanz im Heiligtum während einer kulturellen Transformation? Ein Beitrag zur Kulturentwicklung des späten 3. Jts. v. Chr. in Mitteldeutschland. In: Harald Meller, Helge Wolfgang Arz, Reinhard Jung, Roberto Risch (Hrsg.): 2200 BC – Ein Klimasturz als Ursache für den Zerfall der Alten Welt? 7. Mitteldeutscher Archäologentag vom 23. bis 26. Oktober 2014 in Halle (Saale) (= Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 12/II). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2015, ISBN 978-3-944507-29-3, S. 793–800 (Online).
André Spatzier: Das endneolithisch-frühbronzezeitliche Rondell von Pömmelte-Zackmünde, Salzlandkreis, und das Rondell-Phänomen des 4.–1. Jt. v.Chr. in Mitteleuropa (= Forschungsberichte des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 10/I–II). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) 2017, ISBN 978-3-944507-46-0.
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André Spatzier: The enclosure complex Pömmelte–Schönebeck: The dialectic of two circular monuments of the late 3rd to early 2nd millennium BC in Central Germany. In: Harald Meller, François Bertemes (Hrsg.): Der Aufbruch zu neuen Horizonten. Neue Sichtweisen zur europäischen Frühbronzezeit. Abschlusstagung der Forschergruppe FOR550 vom 26. bis 29. November 2010 in Halle (Saale) (= Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle. Band 19). Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Halle (Saale) 2020, ISBN 978-3-948618-03-2, S. 421–444.
André Spatzier, François Bertemes: The ring sanctuary of Pömmelte, Germany: A monumental, multi-layered metaphor of the late third millennium BC. In: Antiquity. Band 92, 2017, S. 655–673 (Online).
Jürgen E. Walkowitz: Das Megalithsyndrom. Europäische Kultplätze der Steinzeit (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas. Bd. 36). Beier & Beran, Langenweißbach 2003, ISBN 3-930036-70-3, Kap. 3 Menschenglaube S. 25–43.
Thomas Schöne: Archäologen zeigen erste Ergebnisse. In: Lausitzer Rundschau, Länder S. 4, 27. Juni 2018. Thomas Engst:Die Kreisgrabenanlage von Pömmelte.19.September 2019,abgerufen am 29.Januar 2021.
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