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Seeräuber des 14. Jahrhunderts Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Klaus Störtebeker, auch Klaas Störtebecker, Claas Störtebeker oder Nikolaus Storzenbecher (* um 1360; † angeblich am 20. Oktober 1401 in Hamburg) soll ein Seeräuber und neben den berüchtigten Kapitänen Gödeke Michels, Hennig Wichmann, Klaus Scheld und Magister Wigbold einer der Anführer der auch als Likedeeler (niederdeutsch: Gleichteiler) bezeichneten Vitalienbrüder gewesen sein.
Zeitgenössische Quellen zu Klaus Störtebeker fehlen. Um seine Person ranken sich zahlreiche Legenden, die nicht historisch belegt sind. Diese Legenden werden auch mit einem Nicolao (Nikolaus) Stortebeker und mit einem aus Danzig stammenden Johann Störtebeker (der mindestens bis 1413 lebte) in Verbindung gebracht. Nach Ansicht einiger Historiker war Johann Störtebeker das historische Vorbild für die letztlich legendäre Gestalt des Klaus Störtebeker.
Die Herkunft Störtebekers ist nicht bekannt. Es wird vermutet, dass er aus der Gegend von Rotenburg (Wümme) bzw. Verden (Aller) stammt. Anderen Autoren zufolge stammt er aus Wismar. Im Liber proscriptorum, dem „Verfestungsbuch“ der Stadt Wismar, ist im Jahre 1380 ein Vorfall festgehalten, wonach zwei Wismarer Bürger aus der Stadt gewiesen wurden, weil sie einem anderen in einer Schlägerei verschiedene Knochenbrüche zugefügt hatten. Der Betroffene der Auseinandersetzung wird als „nicolao stortebeker“ bezeichnet. Es ist möglich, dass dieser Nikolaus Störtebeker später als Klaus Störtebeker in die Geschichte einging.
Nach späteren Legenden hat sich der Freibeuterkapitän den Namen Störtebeker (aus dem Niederdeutschen von „Stürz den Becher“) wegen seiner Trinkfestigkeit als Spitznamen verdient. So soll er einen 4-Liter-Humpen (einen ellenhohen Becher) Wein oder Bier in einem Zug leergetrunken haben. Ein Störtebeker-Pokal der Hamburger Schiffergesellschaft wurde um 1650 angefertigt. In dem Wismarer Verfestungsbuch wird „Stortebeker“ als Familienname aufgeführt, und als Familienname existiert er noch heute – es leben mehrere „Störtebekers“ mit verschiedener Schreibweise in Norddeutschland. So ist es unklar, ob der Nachname erst mit Klaus Störtebeker entstand oder ob er ihn als Familiennamen geerbt hat.
Ins öffentliche Bewusstsein trat Störtebeker wohl nach der Vertreibung der Vitalienbrüder von Gotland als Kapitän der Likedeeler. Dort hatten die Vitalienbrüder, die sich als Freibeuter selbstständig gemacht hatten, von 1394 bis 1398 Schutz hinter den Mauern der Stadt Visby gesucht. Ursprünglich unterstützten sie König Albrecht von Schweden im Kampf gegen die dänische Königin Margarethe I. und betrieben dazu auch Seeräuberei in Nord- und Ostsee. Den Übergriffen auf die Schiffe der Dänen und Lübecker, die auf dänischer Seite standen, folgten bald Überfälle auf andere Schiffe der Hanse. Hierfür hatten die Vitalienbrüder Kaperbriefe erhalten. Damit konnten sie die erbeuteten Waren in Wismar frei auf dem Markt verkaufen.
Seit 1396 hatten die Vitalienbrüder auch Unterstützung in Marienhafe, Ostfriesland, wo Störtebeker eine Tochter des friesischen Häuptlings Keno ten Broke geheiratet haben soll. Zudem soll ihm in der Kirche St. Marien Unterschlupf gewährt worden sein, weshalb der Kirchturm „Störtebekerturm“ genannt wird. Diplomatischer Druck seitens der Hansestädte führte zum Verlust dieser Operationsbasis. Am 15. August 1400 beurkundete Herzog Albrecht I. von Bayern, Graf von Holland und Hennegau, einen mit den Vitalienbrüdern geschlossenen Vertrag. Diesem zufolge nahm er 114 Vitalienbrüder auf und stellte sie unter seinen Schutz. Acht Hauptleute werden namentlich genannt, darunter ein Johan Stortebeker. Es ist unwahrscheinlich, dass sich ein weiterer Anführer mit dem Namen Störtebeker in den Vordergrund gedrängt hat. Darum kann angenommen werden, dass Klaus Störtebeker nicht wie Gödeke Michels nach Norwegen geflohen war, sondern sich weiterhin nahe der Nordsee aufhielt.
Beim Versuch, den Seehandel mit England und Holland vor Piratenangriffen zu schützen, verstärkten die Hanse und insbesondere die Hansestadt Hamburg die Verfolgung und Bekämpfung Störtebekers und Gödeke Michels‘. Störtebeker soll den überlegenen Hansekoggen mit seinen Schiffen aber immer wieder auf die hohe See entkommen sein.
Am 22. April 1401 wurde Klaus Störtebeker auf seinem Schiff Toller Hund[1] gemäß der späteren Überlieferung von einem Verband hamburgischer Friedeschiffe unter Nikolaus Schocke und Hermann Lange, beide Hamburger Ratsherren und Englandfahrer, vor Helgoland gestellt und nach erbittertem Kampf gefangen genommen. Ein Verräter soll Störtebekers Schiff manövrierunfähig gemacht haben, indem er flüssiges Blei in das Ruder gegossen habe. Alternativ wird dies mit der Zerstörung des Hauptmastes durch Geschosse der Bunten Kuh erklärt. Auf der Bunten Kuh wurden die Gefangenen nach Hamburg gebracht.
Klaus Störtebeker wurde am 21. Oktober 1401 mit 72 Gefährten, unter ihnen sein Steuermann Humbert Grobherz, auf dem Grasbrook vor Hamburgs Hafeneinfahrt vom Scharfrichter Rosenfeld aus Buxtehude enthauptet. Um Todesurteil und Hinrichtung ranken sich mehrere Legenden: so soll Störtebeker dem Rat nach dem Todesurteil für Leben und Freiheit eine goldene Kette angeboten haben, die um die ganze Stadt reichen sollte – was der Rat aber zurückwies. Als man den legendären Goldschatz der Likedeeler nicht finden konnte, wurde das Schiff an einen Schiffszimmermann verkauft. Als dieser die Säge ansetzte, um das Schiff zu zerlegen, traf er auf etwas Hartes: In den Masten verborgen war der Schatz, einer mit Gold, der andere mit Silber und der dritte mit Kupfer angefüllt; er ließ aus dem Gold eine Krone für den Turm der Hamburger St.-Katharinen-Kirche anfertigen.
Einer anderen Legende nach soll Kersten Miles, der Bürgermeister von Hamburg, versprochen haben, allen Männern das Leben zu schenken, an denen Störtebeker nach seiner Enthauptung vorbeiginge. An elf Männern schritt der Geköpfte vorbei, bevor ihm der Henker den Richtblock vor die Füße warf (bzw. ihm laut einer anderen Version ein Bein stellte). Nach dem Sturz des Piraten brach der Bürgermeister sein Versprechen, und alle 73 Seeräuber wurden enthauptet.
Eine weitere Legende berichtet, dass der Scharfrichter Rosenfeld alle 73 Enthauptungen selbst und fehlerfrei durchgeführt habe. Als ihn ein Mitglied des Rates darob lobte, soll er geantwortet haben, das sei noch gar nichts, er könne auch noch den gesamten versammelten Rat hinrichten. Daraufhin wurde er in Gewahrsam genommen und selbst vom jüngsten Ratsmitglied enthauptet. Die Köpfe der Seeräuber wurden längs der Elbe aufgespießt. Angebliche Hinterlassenschaften Störtebekers, wie sein Trinkbecher, wurden beim Großen Hamburger Brand 1842 vernichtet.
Das Störtebekerbild wird relativiert durch Forschungsergebnisse, die 2007 in den Hansischen Geschichtsblättern publiziert und am 26. Dezember 2007 in der NDR-Fernsehdokumentation „Der wahre Schatz des Störtebeker“[2] einem breiten Publikum vorgestellt wurden.[3][4] Der Historiker Gregor Rohmann nimmt an, dass Geschichten und Berichte um den Piraten Klaus Störtebeker ihren Ursprung im Danziger Kapitän, Kaufmann und Fehdehelfer Johann Stortebeker haben. Johann Stortebeker wird erstmals in deutschen Gerichtsakten im April 1405 erwähnt. Demzufolge wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er eine Handelssperre preußischer Städte gegen England missachtet hatte. Johann Stortebeker wurde am 15. August 1400 von Albrecht von Holland zusammen mit 114 Vitalienbrüdern angeworben, um dessen schärfste Konkurrenz im Handel, die Hanse, zu schwächen. In diesem Abkommen wird ausdrücklich ein Johan Stortebeker genannt. 1413 wurde Kapitän Johann Stortebeker vom englischen König Heinrich V. mit 40 Mann Besatzung unter Vertrag genommen, um englische Handelsschiffe zu beschützen.
Sollte sich Rohmanns Annahme bestätigen, wäre Störtebeker weder 1401 auf dem Hamburger Grasbrook hingerichtet worden, noch wäre „Nicolao Störtebeker“ aus dem Wismarer Verfestungsbuch mit dem Kapitän Störtebeker identisch. Auch die Zuschreibung des Schädels aus dem Museum für Hamburgische Geschichte würde damit hinfällig – er gehörte damit einem namenlosen Hingerichteten des Mittelalters. Den Piraten Klaus Störtebeker hätte es demnach nicht gegeben.
Der Name Klaus Störtebeker tauchte in den Quellen erstmals in Hermann Korners „Chronica novella“ von 1435 auf und wurde insbesondere durch Albert Krantz in seiner damals sehr populären Wandalia (1518) verbreitet. Korner fügt in einer neueren Fassung seiner Chronik den Vornamen Clawes für Stortebeker ein, später in der lateinischen Version Nikolaus, wohl nach dem Bischof Nikolaus von Myra aus dem 3./4. Jahrhundert, der Seefahrern als Schutzheiliger galt. Die 1430 begonnene „Rufus-Chronik“ nimmt Korners Vorgabe auf und nennt Störtebeker „Clawes“. Bei späteren Autoren wird daraus die modernere Version Klaus.
Die Störtebeker-Überlieferung kann erstmals in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts festgemacht werden. Auffällig ist dabei, dass der Seeräuber in der hamburgischen Überlieferung trotz seiner Gegnerschaft zur Stadt auch ehren- und heldenhaft dargestellt wird. Möglicherweise sollte diese Heroisierung des Gegners den Sieg über ihn noch glänzender erscheinen lassen und damit den Ruhm der Stadt Hamburg mehren. Ähnlich wird auch die Tatsache interpretiert, dass Gödeke Michels in der älteren Überlieferung gleichbedeutend neben Störtebeker steht, im Verlauf der Jahrhunderte aber zur Nebenfigur hinabsinkt. Derjenige Seeräuber, der sich der hamburgischen Macht entziehen konnte, verliert also an Bedeutung.[5]
Die von Daniel Hopfer um das Jahr 1515 geschaffene und vom Nürnberger Kunsthändler David Funck 1682 unter dem Titel „Claus Stürtz den Becher“ veröffentlichte Radierung stellt in Wirklichkeit Kunz von der Rosen dar, den Schalknarren und Berater Kaiser Maximilians, der 100 Jahre nach Störtebeker lebte.
Vom frühen 18. Jahrhundert an mehren sich die literarischen und dramaturgischen Bearbeitungen des Störtebeker-Stoffs. Unter anderem versuchte sich Theodor Fontane in den 1890er Jahren an der Figur. Er fertigte jedoch nur einzelne Kapitelentwürfe und Fragmente. Eine erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Störtebeker-Überlieferungen erfolgte 1933 in dem Werk Klaus Störtebeker und Gödeke Michael in der deutschen Volkssage von Annelies Blasel.[6]
Der 1878 von Arbeitern auf dem Grasbrook (heute: HafenCity) gefundene und als „Störtebeker-Schädel“ im Museum für Hamburgische Geschichte ausgestellte Schädel konnte nicht Klaus Störtebeker zugeordnet werden. Auch mit Hilfe kanadischer Forensik-Experten konnte das gut 600 Jahre alte Knochenmaterial genetisch nicht mehr entschlüsselt werden.[7] Am 9. Januar 2010 wurde der Schädel aus dem Museum gestohlen[8] und im März 2011 von der Polizei sichergestellt.[9]
Die Geschichte von Störtebeker ist seit den 1550er Jahren als Lied in 26 Strophen überliefert.[15] Eine Melodie dazu findet sich aber erst Anfang des 17. Jahrhunderts in dem Lauten- und Liederbuch des Rostocker Studenten und späteren Pastoren Petrus Fabricius.[16]
Der Barockkomponist Reinhard Keiser schrieb die zweiteilige Oper Störtebeker und Jödge Michels (1701), von der nur das Libretto erhalten ist. Im angehenden 19. Jahrhundert kursierte in Norddeutschland ein Spottlied: „Vor vielen Jahren lebte, o Graus, hoch oben im Norden, der wilde Klaus […]“.[17]
1932 verfasste der Oldenburger Autor Heinrich Diers das plattdeutsche Theaterstück Dat Musfallnspill. Een Störtebeker-Spill in dree Akten. Bei der Uraufführung an der Niederdeutschen Bühne in Hamburg am 30. März 1932 wurde die Doppelrolle Klas Störtebeker/Musfallnkeerl mit Rudolf Beiswanger besetzt.[18]
Der Schriftsteller Kurt Barthel schrieb 1959 die Ballade Klaus Störtebeker[19], die in den Jahren 1959 bis 1961 und 1980 bis 1981 in Ralswiek auf Rügen im Rahmen der „Rügenfestspiele“ unter der Leitung von Hanns Anselm Perten und der Chorleitung von Günther Wolf mit jeweils ca. 2.000 Mitwirkenden aufgeführt wurde. Die Ballade von Kurt Barthel wurde durch Lev Ginzburg in die russische Sprache übersetzt und erschien 1963 und 1980 in Verlagen der Sowjetunion.[20][21] Seit 1993 finden auf Rügen jährlich die Störtebeker-Festspiele statt.
Im August 2014 fand in Lübeck die Uraufführung der „Piratenoper für junge Menschen“ Störtebeker mit der Musik von Gabriele Pott statt.
2019 wurde das Schauspiel Wer ist der Mann ohne Kopf? – Die Störtebeker-Story in Rodgau uraufgeführt.
Die Thematik um Klaus Störtebeker wurde bereits mehrfach verfilmt:
Musikalisch behandelten ihn unter anderen die Hamburger Punkband Slime mit dem Lied Störtebeker auf ihrem Album Alle gegen Alle, die Folk-Punkband Across the Border auf ihrem Album Loyalty mit einer Coverversion des Slime-Liedes, die deutsche Heavy-Metal-Band Running Wild mit einem gleichnamigen Lied, In Extremo Rockband Transit mit einer 45-minütigen Rocksuite und in dem Lied Nordisch by Nature von der Hamburger Hip-Hop-Gruppe Fettes Brot wird auch Bezug auf Störtebeker genommen. Auch die Gruppe Santiano besingt auf ihrem 2017 veröffentlichtem Album Im Auge des Sturms in dem Lied Liekedeeler die Hinrichtung Störtebekers.
1999 veröffentlichte der Comic-Autor Harm Bengen die Graphic Novel Störtebeker, die die letzten zehn Lebensjahre Störtebekers schilderte. Der Autor Patrick Wirbeleit und der Comiczeichner Kim Schmidt brachten im Mai 2004 den Comicband Störtebeker-Freunde und Feinde heraus. Der Band erzählt die Geschichte des jungen Piraten Störtebeker.
Zahlreiche Schiffe erhielten den Namen Störtebeker, u. a.:
Auch ein 2004 fertig gestelltes Bürogebäude in Hamburg wurde nach ihm benannt, das Störtebeker-Haus.
Es erschienen auch Heftromanserien, die mit dem historischen Störtebeker nur Grundzüge gemein hatten:
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