Loading AI tools
französischer Philosoph, Mediziner und Widerstandskämpfer Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Georges Canguilhem (* 4. Juni 1904 in Castelnaudary; † 11. September 1995 in Marly-le-Roi) war ein französischer Philosoph, Wissenschaftshistoriker, Epistemologe, Mediziner und Widerstandskämpfer.
Georges Canguilhem wurde 1904 in Castelnaudary, einer Gemeinde im Süden Frankreichs, geboren. 1924 wurde er in die École normale supérieure aufgenommen, im selben, berühmten Jahrgang wie Jean-Paul Sartre, Raymond Aron, und Paul Nizan. Er bestand seine agrégation in Philosophie im Jahr 1927 und unterrichtete anschließend in Gymnasien in verschiedenen Städten Frankreichs.[1] Als er in Toulouse unterrichtete, nahm er das Studium der Medizin auf. Er bekam 1941 eine Stelle an der Universität von Straßburg und wurde 1943 in Medizin promoviert.
Unter dem Pseudonym „Lafont“ nahm Canguilhem aktiv an der Résistance teil. Er arbeitete als Arzt in der Auvergne. Im Juni 1944 war er südlich von Clermont-Ferrand, am Mont Mouchet, an einer der größten Schlachten zwischen der Résistance und den Deutschen beteiligt. 1948 wurde er Dekan der Fakultät für Philosophie in Straßburg. 1955 wurde er als Nachfolger von Gaston Bachelard Inhaber des Lehrstuhls für Philosophie und Wissenschaftsgeschichte sowie Direktor des Instituts für Geschichte und Philosophie der Wissenschaft und der Technologie an der Sorbonne.[2] Er behielt diese Position bis zu seiner Emeritierung 1971 und war auch danach noch in der Forschung aktiv. Als Generalinspekteur für den Philosophieunterricht und als Präsident der Prüfungskommission für die agrégation hatte er großen und direkten Einfluss auf den Philosophieunterricht in Frankreich und war mehr als einer Generation akademischer Philosophen als strenger Prüfer bekannt. Philosophen wie Gilles Deleuze, Michel Serres, Jacques Derrida, Michel Foucault, Louis Althusser und Gilbert Simondon wurden durch ihn beeinflusst.
Canguilhem wird seit den 1990er Jahren vermehrt als eigenständiger Theoretiker rezipiert. Er formuliert in Anlehnung an die Arbeiten der Neurophysiologen Kurt Goldstein und Viktor von Weizsäcker eine an den Lebenswissenschaften und der Medizin ausgerichtete Philosophie, die den Anspruch vertritt, das Wissen und die Wissenschaft aus der Perspektive des Lebens und des Lebendigen darzustellen. Er ist zusammen mit Gaston Bachelard der Begründer einer Methodologie der Wissenschaftsgeschichte, die als historische Épistémologie bzw. epistemologische Historie die innere Logik historischer Wissensordnungen im Zusammenhang mit der Aktualität des jeweiligen Wissens in der Gegenwart untersucht. Eine der methodisch bedeutenden Unterscheidungen ist diejenige zwischen dem Objekt der Wissenschaftsgeschichte und dem der Wissenschaften. Die Wissenschaftsgeschichte ist selbst keine Wissenschaft. Ihr Gegenstand ist das Wissen in seiner sozialen, religiösen, politischen und moralischen Bedeutung, das Wissen als Kulturphänomen und nicht bloß als logisch kohärentes Gefüge von Sätzen.
Das Projekt Canguilhems ist es, die Geschichte und Geschichtlichkeit der menschlichen Erkenntnis aus der Perspektive des Lebens und nicht aus derjenigen der Wissenschaft verständlich zu machen. Die Wissenschaftsgeschichte, so wie sie Canguilhem versteht, setzt ihren Akzent auf den Widerspruch und nicht auf die Identität, auf den Irrtum und nicht auf zeitlose Wahrheiten. Das vom Irrtum (erreur) charakterisierte Fortschreiten der Wissenschaft, prägt die Spuren ihres Umherirrens (errance) in ihre Begriffe und ihre Definitionen ein. Diesen Spuren zu folgen heißt den linearen Pfad der Geschichte zu verlassen, um dem Wissen seine Lebendigkeit und der Norm ihre einzigartige Vielfalt zurückzuerstatten. Mit diesem Programm, dessen Grundstein in der Schrift zum Normalen und Pathologischen schon 1943 gesetzt ist, schafft Canguilhem einen Maßstab der historischen Kritik wissenschaftlicher Objektivität, aus der die französische Nachkriegsphilosophie schöpft.
Canguilhem wurde 1983 mit der George-Sarton-Medaille ausgezeichnet, einem der renommiertesten Preise für Wissenschaftsgeschichte der von George Sarton und Lawrence Joseph Henderson gegründeten History of Science Society (HSS).
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.