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katholischer Priester (1904–1948) Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Franz Stock (* 21. September 1904 in Neheim; † 24. Februar 1948 in Paris) war ein deutscher römisch-katholischer Priester und während der deutschen Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg Seelsorger für die Gefängnisse von Paris und die Hinrichtungsstätte auf dem Mont Valérien. Er gilt als ein Wegbereiter der Deutsch-Französischen Freundschaft. Papst Johannes Paul II. nannte ihn 1980 in einer Reihe mit großen Personen der deutschen Geschichte.[1] Das Erzbistum Paderborn eröffnete ein Seligsprechungsverfahren,[2] das jedoch vom Vatikan im Juni 2022 eingestellt wurde.[3]
Am 21. September 1904 wurde Franz Stock als erstes von neun Kindern einer Arbeiterfamilie in der kleinen Industriestadt Neheim in Westfalen geboren. Von 1910 an besuchte er die katholische Volksschule. Als Zwölfjähriger äußerte er erstmals den Wunsch, Priester zu werden. Deshalb wechselte er als Dreizehnjähriger Ostern 1917 auf das Neheimer Realgymnasium. Ostern 1926 machte er dort sein Abitur.[4]
Von 1926 bis 1932 war Stock Student der katholischen Theologie. Er begann sein Studium an der Philosophisch-Theologischen Akademie in Paderborn. Ostern 1928 ging er für drei Semester nach Paris und studierte am Institut Catholique. Damit war er der erste deutsche Theologiestudent in Frankreich seit dem Ersten Weltkrieg und der erste deutsche Student am Institut Catholique seit dem Mittelalter.[5]
Am 12. März 1932 empfing Franz Stock vom Paderborner Erzbischof Caspar Klein die Priesterweihe. Auf seinem Primizzettel stehen die Worte aus dem 1. Petrusbrief: „Weihet Eure Seele durch Gehorsam gegen die Wahrheit zu aufrichtiger Bruderliebe und habet einander von Herzen lieb. Ihr seid ja wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern unvergänglichem Samen durch Gottes Wort, das lebt und ewig ist.“
Franz Stock wurde in seiner Kindheit und Jugend sehr durch den Ersten Weltkrieg und durch die Folgezeit mit ihren politischen und wirtschaftlichen Änderungen geprägt. Parallel zu seiner religiösen Berufung zum Priester beschloss er, sich für die Völkerverständigung einzusetzen, insbesondere zwischen der deutschen und französischen Jugend.
Bereits in seiner Schulzeit schloss er sich dem Bund Neudeutschland und später der Quickbornbewegung an, einer katholischen Jugendbewegung. Mit ihr nahm er an einer für ihn prägenden internationalen Jugendbegegnung mit über 10.000 Teilnehmern teil, die 1926 in Bierville von einem Vorkämpfer der deutsch-französischen Verständigung, Marc Sangnier, einberufen worden war.[6] Dort schloss er auch die Bekanntschaft mit Joseph Folliet, der neben Romano Guardini einen besonders großen Einfluss auf ihn ausübte.
Während seiner Studienzeit in Paris trat er ferner den „Compagnons de Saint François“ („Gefährten des heiligen Franziskus“) bei,[7] deren Ideale das einfache Leben und die Verwirklichung des Friedens sind.
Auch in den folgenden Jahren war Franz Stock bei internationalen Begegnungen dabei, so 1931 auf dem vom Friedensbund Deutscher Katholiken organisierten Treffen auf dem Borberg, dem sogenannten „Europaberg“ oder „Friedensberg“ des Sauerlandes zwischen Brilon und Olsberg. Stock war einer der Hauptredner. Nachdem er mit dem farbigen französischen Staatsbürger Louis Achille einen Friedenskuss getauscht hatte, kam es zu Protesten von ebenfalls anwesenden SA-Männern.
Von 1932 bis 1934 war Franz Stock als Seelsorger in Effeln[8] bei Lippstadt und in Dortmund-Eving tätig. Dort lernte Franz Stock auch Polnisch als zweite Fremdsprache, um sich als Vikar mit seinen vielen aus Polen stammenden Gemeindemitgliedern besser verständigen zu können.
1934 suchte der zuständige Kölner Erzbischof Kardinal Schulte einen Geistlichen für die Leitung der deutschen Gemeinde in Paris. Die Neubesetzung war 1934 schwierig, weil seit 1933 die politische Entwicklung in Deutschland vom Ausland her kritisch beobachtet wurde. Es sollte ein Mann gefunden werden, der französische Sprachkenntnisse hatte, der die französische Mentalität kannte und die Seelsorgeprobleme in der Weltstadt Paris überschaute. Es sollte aber vor allem ein Mann gefunden werden, der das Vertrauen des Pariser Erzbischofs, Kardinal Verdier, besaß. Dieser kannte Franz Stock noch aus der Zeit, als er selbst am Institut Catholique Professor war. Aus diesen Gründen fiel die Wahl auf den jungen Priester Franz Stock. Anfang September 1934 traf Franz Stock in Paris ein und trat seine Stelle als Rektor der deutschen Gemeinde an. Er wohnte im Quartier Latin, nicht weit entfernt vom Panthéon. Zu der Betreuung von rund 500 Gemeindemitgliedern gehörten neben der seelsorgerlichen Tätigkeit auch viele sozial-karitative Aufgaben – und bald kam die Hilfe für politische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei hinzu. Franz Stocks Gemeindewirken wird als segensreich und einfühlsam beschrieben. Er machte kulturelle Angebote, veranstaltete Ausflüge und schuf Orte der Begegnung mit Franzosen und Nichtkatholiken.
Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 musste Franz Stock weisungsgemäß Paris verlassen. Er übernahm Vertreterstellen in Bodelschwingh bei Lütgendortmund und dann in der Nähe von Magdeburg in Klein Wanzleben.
Im Juni 1940 wurde Paris von der deutschen Wehrmacht besetzt. Am 13. August 1940 wurde Franz Stock erneut zum Seelsorger für die Deutschen in Paris ernannt. Er kehrte im Oktober nach Paris zurück, betreute dort allerdings eine andere Gemeinde. Seit 10. Juni 1941 war er gleichzeitig auch Standortpfarrer im Nebenamt.[9] Als nebenamtlicher Standortpfarrer begann er 1941 mit seiner Tätigkeit in den Pariser Wehrmachtsgefängnissen Fresnes, La Santé und Cherche Midi. Ihm oblag die Betreuung der Häftlinge in den Gefängnissen und insbesondere der zum Tode Verurteilten.
Die Gefängnisse von Paris hatten von 1941 bis 1944 etwa 11.000 Gefangene. Vielen Menschen rettete Franz Stock das Leben, indem er Warnungen aussprach und Informationen weiterleitete. Oftmals konnte er es erreichen, dass Todesurteile abgemildert oder die Zahl der geplanten Geiselerschießungen reduziert wurde.[10]
Die Erschießungen der Verurteilten und Geiseln fanden meist auf dem Mont Valérien statt. Franz Stock führte ein Tagebuch mit kurzen Notizen über die Gefangenen und zum Tode Verurteilten. Er erwähnte 863 Erschießungen, denen er beiwohnen musste, sagte aber kurz vor seinem Tod einem Bekannten, es seien über 2.000 gewesen. Die Gedenktafel auf dem Mont Valérien nennt eine Zahl von über 4.500.[11] Diese Zahl wurde aber 1995 von Serge Klarsfeld und Léon Tsevery[12] kritisiert. Bis zum 1. Januar 2009 wurden insgesamt 1014 der Erschossenen identifiziert.[13]
Zeugnisse Überlebender, Bücher und Filme dokumentieren Stocks aufopferungsvollen Dienst an den Verurteilten, seine Menschlichkeit und sein Zugehen auf andere, ohne sich selbst zu schonen. Da die Gefangenen oft bewusst im Unklaren über das Schicksal ihrer Familien gelassen wurden, war es eine große Hilfe für sie, dass Stock Kontakt zu den Familien hielt und den Gefangenen Nachrichten übermittelte, zum Beispiel flüsternd während eines von Aufsehern überwachten Gespräches oder während eines gemeinsamen Gebetes des Priesters und des Gefangenen.
Franzosen gaben Franz Stock die Bezeichnung „L’Aumônier de l’enfer“ („Der Seelsorger der Hölle“) und „L’Archange en enfer“ („Der Erzengel in der Hölle“).[10]
Viele Widerstandskämpfer, wie z. B. Edmond Michelet, Jean de Pange, Robert d’Harcourt, Gabriel Péri und Henri Honoré d’Estienne d’Orves, haben ihm die Ehre erwiesen. Heute ist der Platz vor dem Mémorial de la France Combattante, das an den Widerstand der Franzosen gegen die deutsche Besatzungsmacht erinnert, nach Abbé Franz Stock benannt, was eine außergewöhnliche Ehrung darstellt.
Am 25. August 1944 marschierten frei-französische Truppen unter dem Befehl von Charles de Gaulle in Paris ein. Abbé Stock blieb in Paris und half im Hôpital la Pitié, mehr als 600 nicht transportfähige, verwundete deutsche Soldaten zu betreuen. Das Krankenhaus geriet in die Hände der Truppen der F.F.I. (Forces Francaises de l’Intérieur), der inneren Streitkräfte. Ein Hauptmann drang mit seinen Leuten in das Lazarett ein und forderte die Herausgabe von mehreren Geiseln, um sie wegen der Grausamkeiten von SS und Gestapo erschießen zu lassen. Der Offizier war ein ehemaliger Inhaftierter des Gefängnisses Fresnes. Als er Abbé Stock erkannte, unterzeichnete er ein Papier, das an das Portal des Lazaretts geheftet wurde. Das Krankenhaus wurde damit unter den Schutz der Résistance gestellt, und seine Insassen waren vor Repressalien geschützt.
Als US-amerikanische Soldaten das Lazarett übernahmen, wurde Abbé Franz Stock Kriegsgefangener. Er wurde in das Gefangenenlager von Cherbourg gebracht.
Franz Stocks Gesundheit war nach dem Krieg schwer angegriffen. Er nahm dennoch die Aufgabe der Gründung eines Priesterseminars für kriegsgefangene deutschsprachige Priester und Seminaristen an. Es wurde auf Initiative der französischen Regierung und mit Unterstützung des Apostolischen Nuntius Roncalli, des späteren Papstes Johannes XXIII., gegründet. Abbé Stock wurde gebeten, die als Stacheldrahtseminar bezeichnete Institution als Regens zu leiten.
Im Kriegsgefangenenlager Dépôt 51 in Orléans wurde das Seminar am 24. April 1945 gegründet. Am 17. August 1945 wurde das Seminar von Orléans ins Gefangenenlager Dépôt 501 bei Chartres verlegt. Hier konnten die in französischer Kriegsgefangenschaft befindlichen Priester und Seminaristen ihre Studien fortsetzen oder auf Grund ihrer Interessenbekundung beginnen. Für die Jüngsten gab es einen Abiturkurs. Die Universität Freiburg im Breisgau übernahm die Patenschaft über dieses Seminar.[14] Es war das bis dahin größte Seminar, und ein „Seminar hinter Stacheldraht“ („Séminaire des barbelés“). Insgesamt 949 Dozenten, Priester, Brüder und Seminaristen aus Deutschland und Österreich waren dort.
Seminaristen des Stacheldrahtseminars waren unter anderen Bischof Emil Stehle, Bischof Bernardo Witte, Weihbischof Bernhard Rieger, Weihbischof Franz Josef Kuhnle, Abt Laurentius Hoheisel, Pfarrer Lothar Zenetti, Josef Rommerskirchen und der Schriftsteller Erich Kock.
Nuntius Roncalli besuchte mehrere Male das Seminar. Am Sonntag nach Weihnachten 1946 erschien er, um die Segenswünsche des Papstes zu überbringen. Dabei sagte er: „Das Seminar von Chartres gereicht sowohl Frankreich wie Deutschland zum Ruhme. Es ist sehr wohl geeignet, zum Zeichen der Verständigung und Versöhnung zu werden.“[15]
Am 5. Juni 1947 wurde das einzigartige Seminar aufgelöst. Die letzten 369 Seminaristen verließen das Gefangenenlager. Franz Stock kehrte nach Paris zurück. Am 16. Dezember 1947 empfing er dort die Nachricht von seiner Ernennung zum Ehrendoktor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.[16]
Am 24. Februar 1948 starb Abbé Franz Stock plötzlich und unerwartet gegen 16:00 Uhr im Hôpital Cochin in Paris. Sein Tod durfte in der Presse nicht bekannt gegeben werden, da er noch immer den Status eines Kriegsgefangenen hatte. Aus diesem Grunde folgte seinem Sarg nur ein knappes Dutzend Menschen. Aus der Familie konnte niemand an der Beisetzung teilnehmen, da sie keine Einreiseerlaubnis erhalten hatte.
Franz Stock wurde am 28. Februar 1948 zunächst auf dem Pariser Friedhof Thiais beerdigt. Die Totenfeier fand in der Pfarrkirche Saint-Jacques-du-Haut-Pas in Paris statt. Nuntius Roncalli nahm die Aussegnung des Toten vor und sagte dabei: „Abbé Franz Stock – er ist nicht nur ein Name – er ist ein Programm!“ Eine Aussage, die er als Papst Johannes XXIII. am 20. Juni 1962 wiederholte.[17]
Bereits im Jahr 1980 beantragten die katholischen Bischöfe die Seligsprechung Stocks. Am 14. November 2009 eröffnete Erzbischof Hans-Josef Becker das Seligsprechungsverfahren für Franz Stock. Der sich anschließende „diözesane Informativprozess über das Leben, die Tugenden und den Ruf der Heiligkeit des Dieners Gottes Franz Stock“ wurde am 8. November 2013 offiziell beendet.[20] Die Dokumente und Aussagen zum Leben und Wirken von Abbé Franz Stock wurden an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse in Rom zur weiteren Prüfung weitergeleitet.[21] Mit der förmlichen Öffnung der Akten am 25. Februar 2014 durch den Kanzler der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan war das Römische Verfahren offiziell eröffnet worden.[22]
Ein vom Erzbischof von San Francisco gesondert geführter Prozess zur Untersuchung eines der Fürsprache von Franz Stock zugeschriebenen Wunders (Heilung von einer Krebserkrankung) wurde bereits am 16. März 2012 mit der Zusendung der Akten an die Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse beendet.[23]
Im Juni 2022 gab das Erzbistum Paderborn bekannt, dass das Dikasterium für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse das Verfahren eingestellt hat, da die Voraussetzungen für eine Seligsprechung nicht mit hinreichender Sicherheit erwiesen seien.[24]
Die Europäische Begegnungsstätte Franz Stock ist im ehemaligen Gebäudekomplex des Stacheldrahtseminars von Chartres entstanden. Das Gebäude hat seine essentielle Struktur behalten und soll die Geschichte des Lagers/Seminars darstellen. Die denkmalgeschützte Lagerkapelle mit den von Franz Stock erstellten Fresken wurde restauriert. Im Rahmen von Führungen wird es den Besuchern ermöglicht sich mit der Geschichte von Franz Stock sowie des Stacheldrahtseminars auseinander zusetzen. Zusätzlich dient das Gebäude als Veranstaltungsort für Theateraufführungen, Ausstellungen, Konzerte und Kongresse.
Im Untergeschoss des Elternhauses von Franz Stock in Arnsberg-Neheim wurde eine Gedenk- und Begegnungsstätte eingerichtet, die Möbel und Gegenstände von Franz Stock aus der Wohnung in Paris, seine Bilder und Bücher und das Archiv mit Briefen, Fotos und Dokumenten enthält. Das Haus ist regelmäßig für Besucher geöffnet. Ein Ausbau der Gedenkstätte ist derzeit in der Planung[25].
Eine Dauerausstellung „Franz Stock – Frieden als Auftrag“ über das Leben und Wirken von Franz Stock und über die Auswirkungen auf die deutsch-französische Verständigung befindet sich im historischen Neheimer Fresekenhof.
Das Franz-Stock-Komitee für Deutschland hat sich 1964 in der Heimatstadt Franz Stocks gebildet,[26] um die vielfältigen Bestrebungen, die sich mit der Person und dem Werk des verstorbenen Gefangenenpriesters verbinden, zu bündeln. Es werden Dokumentationen, Ausstellungen und Veranstaltungen, die Verständnis für das Werk und die Person Franz Stocks erhalten, wecken oder fördern, organisiert und vermittelt. Durch Jugendaustausch, kulturellen Austausch, Übernahme und Vermittlung von Patenschaften, Kontakte, insbesondere mit Frankreich, dient es der Völkerverständigung. Die Franz-Stock-Vereinigung „Les amis de Franz Stock“ für Frankreich hat ihren Sitz in Chartres.
Zur Errichtung der „Europäischen Begegnungsstätte Franz Stock“ in Chartres haben die Vereinigungen aus Deutschland und Frankreich einen gemeinsamen Trägerverein „CERFS – Centre Européen de Rencontre Franz Stock“ gegründet.
Gedenkstätten, Einrichtungen, Plätze und Straßen, die nach Franz Stock benannt sind:
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