Loading AI tools
Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
9. März 2021
Der Anlass für diese Unterseite resultierte einmal aus meinem „Fachgebiet Rechtsextremismus“, dem Anspruch das „gesicherte Wissen“ zu diesem Bereich nach besten Wissen und Gewissen in Wikipedia enzyklopädisch darstellen zu helfen, aber auch aus einem konkreten Anlass datiert auf Anfang 2020 auf Twitter. Mir fiel dort etwas erstaunliches auf, dem ich unbedingt auf den Grund gehen wollte.
Es geisterte in verschiedenen Tweets ein Zitat umher, mit gleichen Wortlaut und Inhalt - jedoch wurde er mal Huey Long zugeschrieben, dann wiederum Winston Churchill oder aber Antonio Gramsci und manchmal auch Theodor Adorno. Am häufigsten aber wurde dieses Zitat Ignazio Silone zugeschrieben. So begann ich meine Recherche zunächst auf Wikipedia um zu ergründen, was es mit diesem Zitat auf sich hatte.
In einem ersten Teil dieser Unterseite möchte ich die Leser zu einer kurzen Reise Original Research mit Wikipedia-Bezug rund um das Zitat schicken. Ein zweiter Teil beschäftigt sich mit dem Thema, warum die Diskreditierung von Antifaschismus ein elementarer Bestandteil neurechter und rechtsextremer Propaganda ist. Ein dritter Teil beschreibt die Strategie dahinter.
Die Spur führt zu einem prominenten Ideengeber für die Neue Rechte, nämlich zu Hans-Helmuth Knütter, Spiritus Rektor einer intellektuellen Anti-Antifa, der in den 1980er Jahren einerseits behauptete, dass der Rechtsextremismus in Deutschland eigentlich gar keine Chance mehr hätte, und andererseits ein von Antifaschisten aufgestelltes „rechtsextremistisches Schreckbild“ als reine Propaganda denunzierte. „Antifaschismus als Mittel der Destabilisierung der Bundesrepublik Deutschland“ war dann auch Titel und zentrale These eines seiner Aufsätze (1987). Norbert Reichling fasste die publizistischen Aktivitäten Knütters gegen dem Antifaschismus 1993 wie folgt zusammen:
„Ungeachtet aller verquetschten Dementis, der Rechtsextremismus solle nicht kleingeredet werden, trägt Knütter durch seine Publikationen gezielt zur Eingemeindung rechtsradikaler Argumente in den Kreis demokratischer Positionen bei.[1]“
Knütter, so Reichling, würde ein letztes Gefecht gegen den „Antifaschismus als «Schrumpfform» des Kommunismus“ „herbeiphantasieren“, unter Zuhilfenahme von „Freund-Feind-Schemata und Pathologisierung“. Knütters These fand schließlich seine Fortsetzung in seinem 1993 erschienen Werk „Die Faschismuskeule“. Der Begriff „Faschismuskeule“ wurde anschließend als Bestandteil neurechter Tagespolitik eingeführt und institutionalisiert. Über den Zusammenhang zwischen der militanten und intellektuellen Antifa, der gemeinsamen zeitlichen Entstehung am Beispiel der Protagonisten in meiner Heimatstadt Bonn, habe ich bereits andernorts geschrieben und werde das hier nicht wiederholen. Bitte hier nachlesen.
Antifaschismus, also eine Haltung, als extremistisch zu brandmarken, zu kriminalisieren und zu delegitmieren ist ein fester Bestandteil rechtsextremer und neurechter Propaganda und findet auch heute international - also nicht nur in Deutschland - seinen Niederschlag, etwa als der ehemalige Präsident der USA Donald Trump sich nicht entblödete die „Antifa“ als „terroristische Vereinigung“ verbieten zu wollen. Ein Unterfangen, dass in Deutschland von der Alternative für Deutschland nachgeplappert wurde. Im diesen Kontext sind die in der Einleitung dieser Unterseite erwähnten Memes zu betrachten. Die Methode in sozialen und alternativen Medien nie getätigte Aussagen politischen Gegnern in den Mund zu legen und diese als Zitate zu präsentieren (mit Memes von Silone, Churchill, Adorno, Gramsci oder Long etwa), ist ein beliebtes Mittel aus der Propagandakiste.
Bleibt zu erklären, warum aktuell in sozialen und alternativen Medien von Seiten des organisierten Rechtsextremismus mit Fake-News und Fake-Zitaten hantiert wird und was das für Wikipedia bedeutet. Dazu folgt ein weiteres Kapitel dieser Unterseite.
Dieser „Kampf um Begriffe und Deutungen“ wird seit Jahren verstärkt im Internet, in sozialen und alternativen Medien aber auch in Wikipedia ausgetragen. Welche Wendung eine Begriffsbeschlagnahmung nehmen kann, durfte ich selbst anhand des Begriffes „Querdenker“ erfahren. Ich war und bin schon immer, im positiven Sinn, ein „Querdenker“[3]. Wenn ich das heute unter Freunden äußere, werde ich mittlerweile schief angeschaut, weil mit heutigen „Querdenkern“ die „Covidioten“, also etwas ganz anderes assoziiert wird.
Dass solche Geiselnahmen von Begriffen durchaus erfolgreich sein können, kann man am Begriff „Konservativ“ aufzeigen. Die Gründung der AfD stellt einen solchen Terraingewinn dar, welcher eingeleitet wurde durch die Begriffsbeschlagnahmung als die „wahren Konservativen“ und der gezielten Diskreditierung der konservativen Partei CDU. Dies begann lange vor der Gründung der AfD und unter anderem mittels einer Aktion Linkstrend Stoppen etwa (heute mehr oder weniger ersetzt durch die Werteunion), in der am Ende zumindest am rechten Rand des politischen Spektrum die CDU nicht mehr als konservative, sondern als linke Partei wahrgenommen wurde/wird.
Die Strategie der Destabilisierung von Demokratie und sozialen Rechtsstaat findet so aktuell ihren Niederschlag im politischen Tagesgeschehen, über Memes in sozialen und alternativen Medien, und dazu gehört auch die im ersten Teil dieser Unterseite beschriebene Instrumentalisierung von zeitgeschichtlichen Gegnern des Faschismus, wie Ignazio Silone, mittels zugeschriebenen Fake-Zitaten. Wenn Rechtsextremisten sich als Konservative ausgeben können, Konservative als linksradikale denunziert werden - wenn Demokratie als Diktatur denunziert wird und Freiheit als Tyrannei - wenn also Rechtsextremisten sich zu harmlosen Demokratiekritiker deklarieren, als harmlose Identitäre – dann ist in dieser propagandistischen Logik Antifaschismus natürlich gleich Faschismus.
Das Problem hierbei ist, dass aktuell – bedingt durch die Pandemie und den durchaus berechtigten existenzialen Ängsten der Menschen – solche Propaganda anschlussfähig ist an bürgerliche und esoterische Kreise. Die rechtsextremen schwarz-weiß-roten Fahnen sind dieser Tage nicht ohne Grund auf vielen Querdenker-Demonstrationen zu sehen. Dazu hat die TAZ übrigens einen sehr klugen Artikel publiziert aus dem ich folgende Passage als eine Art Warnung zitieren möchte:
„Eine Wirklichkeitswahrnehmung kann so irre sein, wie man es sich nur vorstellen kann – wenn Menschen auf der Grundlage einer solchen Wahrnehmung handeln, schafft dieses Handeln nichtsdestoweniger Wirklichkeit.[4]“
Seamless Wikipedia browsing. On steroids.
Every time you click a link to Wikipedia, Wiktionary or Wikiquote in your browser's search results, it will show the modern Wikiwand interface.
Wikiwand extension is a five stars, simple, with minimum permission required to keep your browsing private, safe and transparent.