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Stilrichtung in der Architektur, der Bildhauerei und mit Vorbehalten in der Musik Aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Neobarock (auch: Neubarock oder Zweiter Barock) ist die Bezeichnung einer künstlerischen Stilrichtung des 19. Jahrhunderts, die sich den Barock zum Vorbild nahm. Sie fand Einzug in die bildende und darstellende Kunst Europas und unterscheidet sich nach regional verschiedenen Ausprägungen.
Der Neobarock ist dem Historismus zuzuordnen und verbreitete sich zunehmend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In seinem Formenrepertoire basierte er auf regionsabhängigen Arten des Barock. Beispiele sind der hanseatische oder der französische Neobarock. Um 1860 verbreitete sich der Stil zunehmend in Europa und löste die grundsätzlich noch vorherrschende klassizistische Architektur ab. Als maßgebliche erste neobarocke Großbauten schuf Napoleon III. 1857 die Tuilerien und 1860 die Pariser Oper, die heute unter den Begriff der Beaux-Arts-Architektur fallen. Sie gaben den Anstoßpunkt für die Blütezeit des Neobarocks, die seinen Höhepunkt europaweit um 1890 erreichte. Die Verwendung neobarocker Architektur fand besonders bei Theatergebäuden und Opernhäusern Einzug, da der Barock als Hochblüte aller theatralischen Kunstgattungen galt. Unter dem Einfluss des Wilhelminismus wurde der repräsentative Neobarock im deutschen Kaiserreich zum vorherrschenden Stil für öffentliche Bauwerke, beispielsweise Regierungsgebäude, Justizpaläste oder Bibliotheken. Beispiele sind die Staatsbibliothek Unter den Linden, der Justizpalast in München oder das Reichsgerichtsgebäude. Auch die Wohnungsbauten und die Villenarchitektur um die Jahrhundertwende orientierten sich häufig am Neobarock. Allerdings kam es hierbei häufig zu eklektizistischen Überschneidungen mit anderen Stilrichtungen wie der Neorenaissance. Der Neoklassizismus und der Jugendstil lösten den Neobarock um 1905 zunehmend ab. 1910 bei Neubauten kaum noch in Verwendung, bereitete spätestens die nach dem Ersten Weltkrieg aufkommende Klassische Moderne dem Neobarock sein Ende.
In Österreich war seine Verwendung „patriotisch“ konnotiert, da er an die Kulturblüte und politische Expansion des frühen 18. Jahrhunderts anknüpfte. In seiner Spätphase koexistierte er mit dem Jugendstil, den er teilweise beeinflusste.
Zur selben Zeit wie in der Architektur treten in der Bildhauerei neobarocke Tendenzen auf. Als Hauptvertreter des Neobarock gelten der Berliner Bildhauer Reinhold Begas und der Wiener Viktor Tilgner.
Beispiele:
In der Musik ist der Neobarock Teil des Neoklassizismus. Diese sich im frühen 20. Jahrhundert entwickelnde Kompositionsrichtung griff neben klassischen und romantischen auch spätbarocke Formen und Stilmittel auf.
Im Orgelbau wird mit Neobarock eine Stilrichtung bezeichnet, bei der ausgehend von der Orgelbewegung der 1920er Jahre Instrumente mit vielen Obertonregistern disponiert wurden.[2] Vor allem nach 1945 wurden neue Orgeln an der neobarocken Klangästhetik ausgerichtet. Orgeln des 19. Jahrhunderts und der Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg wurden in dieser Zeit häufig klanglich aufgehellt, um dem neobarocken Klangideal zu entsprechen. Selbst Barockorgeln (z. B. die Schnitger-Orgel von 1688 in Hamburg-Neuenfelde) blieben nicht verschont, da sie nicht „barock“ genug erschienen. Technisch gesehen waren die neobarocken Orgeln Kind ihrer Zeit: Viele Instrumente waren mit elektrischen Kegelladen ausgestattet, und erst nach und nach setzte sich die mechanische Spieltraktur (bei elektrischer Registertraktur) durch.[3] Die Prospekte wurden oft ohne geschlossenes Gehäuse konzipiert. Erst ab etwa 1960 setzte sich das Werkprinzip norddeutscher Orgeln der Barockzeit durch. Ornamente, Vergoldungen und Farbfassungen wie bei vielen Barock-Orgeln wurden dabei jedoch vermieden.
Einige literarische Strömungen und Filmstile des 20. und 21. Jahrhunderts tragen neobarocke Züge. So spricht man insbesondere von einem lateinamerikanischen Neobarock.[4] Der Magische Realismus, aber auch viele Werke der Postmoderne tragen neobarocke Züge. Da alles bereits gesagt worden sei, können Bilder und Texte heute nur noch kombiniert, variiert, immer rascher gewechselt oder zitiert werden. Die Formenvielfalt und das Zitieren hätten ein Ausmaß angenommen, das vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war, postuliert der italienische Sprachwissenschaftler und Semiotiker Omar Calabrese (1949–2012) und entwickelt eine Theorie der Poetik der Wiederholung.[5]
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